Es ist elf Jahre her, dass der damalige OMV-Chef Gerhard Roiss bei einer Pressekonferenz plötzlich mit einem Mitarbeiter tuschelte, sich ein Papier zureichen ließ und dann ganz aufgeregt, fast in Jubel ausbrach. Ob an diesem Tag inszeniert oder nicht, faktisch hatte die OMV damals ein riesiges Gasvorkommen im Schwarzen Meer gemeldet. Im Hoheitsbereich von Rumänien. Über die 51-Prozent-Tochter Petrom hatte die OMV eine Megagasreserve, Name: Neptun.

Jetzt hebt die OMV, konkret Petrom dieses Vorkommen. Ungeachtet dessen, dass der Klimawandel immer massiver fortschreitet, wie Umweltorganisationen Greenpeace und Attac heftig kritisieren. Für Greenpeace ist die künftige Gasförderung ein "fossiles Verbrechen". Sie verursache so viele Treibhausgase wie ganz Österreich in zwei Jahren. Zudem werde die Artenvielfalt im Schwarzen Meer bedroht. Tatsächlich hatte OMV-Chef Alfred Stern zuletzt Fragen, ob die OMV angesichts der neuen Konzernstrategie künftig deutlich mehr Geld in CO₂-neutrale Technologien investiere, immer relativ zurückhaltend beantwortet.
Die OMV sieht Gas allerdings im Moment als wichtige Brückentechnologie. Gas ist auch ein zentraler Grundstoff für eine große Palette an Chemieprodukten, nicht zuletzt Kunststoffen. Allerdings soll das Neptun-Gas tatsächlich vor allem der möglichst unabhängigen Energieversorgung dienen. Alfred Stern betont, dass die Petrom "weiterhin CO₂-arme Energielösungen entwickelt, um den steigenden Energiebedarf in Rumänien zu decken". Die Investitionsentscheidung wurde im Aufsichtsrat einstimmig beschlossen.

Mehr Unabhängigkeit von russischem Gas

Für Europa, den Balkan, bedeutet die Erschließung ab dem Jahr 2027 viel mehr Unabhängigkeit von russischem Gas. Rumänien wird damit in knapp fünf Jahren größter Gasproduzent in der EU. Für Nord- und Westeuropa ist derzeit Norwegen der größte Gaslieferant, Norwegen ist aber nicht in der EU.

Etwa hundert Milliarden Kubikmeter Erdgas umfasst das Vorkommen mit dem Namen "Deep Neptun" den umfangreichen seismologischen Untersuchungen zufolge. Dass es nicht schon früher erschlossen wurde, liegt an langwierigen politischen Querelen in Rumänien, vor allem um die Profite. Es fehlte eine gute steuerrechtliche Basis für die Förderung im Schwarzen Meer. Der Ukraine-Krieg sorgte endgültig für politisches Umdenken. Jetzt muss der Petrom zufolge nur noch die rumänische Behörde für Bodenschätze grünes Licht geben.

Zuverlässige Energiequelle in der Region

Partner der rumänischen OMV-Tochter Petrom ist schon länger die mehrheitlich staatliche Romgaz, wodurch die Wertschöpfung im Land bleiben wird. Romgaz hatte immerhin mehr als eine Milliarde Dollar für die Rechte gezahlt, nachdem der US-Multi ExxonMobil als OMV-Partner wegen der Querelen das Handtuch geworfen hat und aus dem Projekt ausgestiegen war. Romgaz ist Hälftepartner, trägt also auch die Hälfte der Investitionen in Gesamthöhe von vier Milliarden Euro. "Neptun Deep" stelle eine zuverlässige Energiequelle in der Region dar und stärke die Position der OMV in Südosteuropa, so OMV-Chef Stern. Der operative Gewinn der Petrom – zuletzt über eine Milliarde Euro – werde stark zulegen.

Erste Bohrung bereits im Jahr 2011

Die erste Bohrung war 2011 erfolgt, ab 2024 werden zehn Bohrungen gesetzt. Die Arbeiten erstrecken sich über gut drei Jahre, bevor Gas aus bis zu 2200 Metern Tiefe fließt. Zehn Jahre lang sollen täglich 140 Barrel Öläquivalente gefördert werden, etwa acht Milliarden Kubikmeter im Jahr.

Stern hatte die Entscheidung schon länger für Mitte 2023 angekündigt. Erst Dienstag hatte der OMV-Aufsichtsrat Sterns Vertrag einstimmig bis Ende August 2026 verlängert.