Kaum hat man die Packung aufgemacht, ist sie auch schon wieder leer: Das passiert derzeit vielen Österreicherinnen und Österreichern bei Snacks und Süßigkeiten. Mit einem besonders großen Appetit muss das nicht immer zu tun haben. Denn wie der Verein für Konsumenteninformation bestätigt, werden derzeit von vielen Lebensmittelproduzenten die Füllmengen reduziert, obwohl der Preis bereits gestiegen ist. Trügerisch ist, dass die Verpackung für die Konsumenten auf den ersten Blick gleich aussieht. Man müsste sich genau den Grundpreis anschauen, um diese heimliche Preissteigerung zu erkennen.

Diese Shrinkflation (Zusammensetzung aus shrink für "Schrumpfen" und "Inflation") ist der Arbeiterkammer und dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) ein Dorn im Auge. Beide Institutionen fordern mehr Preistransparenz, eine Kennzeichnungspflicht für Shrinkflation und dass Füllmengen an der Vorderseite angegeben werden müssen. Aktuell häufen sich die Beschwerden von Konsumenten. "Die meisten Zuschriften erhalten wir wegen Knabbersnacks und Süßigkeiten. Aber es sind alle Produktgruppen wie Streichfette, Käse, Nüsse, Gewürze und Taschentücher betroffen", sagt Teresa Bauer vom VKI. Aktuell befasst sich die Expertin besonders mit fetter Shrinkflation bei den Streichfetten. Denn bei Rama, Thea und Becel sind die Füllmengen geschmolzen, während die Preise gestiegen sind. In Summe muss der Konsument für die Rama 39 Prozent mehr bezahlen, für Thea 56 Prozent und für Becel elf Prozent. Bei Soletti sind trotz eines höheren Preises 20 Gramm weniger drin, was eine Kostensteigerung von 22 Prozent ergibt. Aber auch Ültje Erdnüsse, Chio Tortillias und Funny Frisch Chips sind Shrinkflationsbeispiele des VKI. Bisher hatten die Konsumentenschützer vor allem Markenprodukte im Visier. "Jetzt gibt es auch mehr Meldungen zu Eigenmarken", sagt Bauer.

Höhere Preise als im benachbarten Ausland

Der Anstieg der österreichischen Lebensmittelpreise ist mittlerweile auch ein Thema für die Politik. Wie berichtet, wollen Sozialminister Johannes Rauch und Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne) einen Teuerungsgipfel für 8. Mai einberufen. "Ganz nachzuvollziehen sind die hohen Preise für Lebensmittel und Drogerieprodukte in Österreich nicht", sagt dazu Walter Hager, der für den VKI Preiserhebungen und -vergleiche in Deutschland und Italien durchführt. In Italien seien alle Produkte im Supermarkt und in der Drogerie deutlich günstiger als hierzulande. "Nudeln verschiedener Marken wie Barilla und DeCecco sind 70 bis 80 Prozent günstiger als in Österreich", sagt Hager. Aber auch in Deutschland sei der Lebensmitteleinkauf im Schnitt um 20 Prozent günstiger. Eine Einkaufsfahrt nach Deutschland und Italien könne sich trotz Spritkosten durchaus lohnen, vor allem wenn man im grenznahen Gebiet wohnt. Mittlerweile hätten sich sogar Einkaufsgemeinschaften gebildet.

"Sogar österreichisches Bier kostet in Deutschland weniger als bei uns", sagt Hager. "Bei derartigen Preisvergleichen werden leider keine Rabattaktionen berücksichtigt. Das ist insofern unseriös, als der Anteil an Rabattaktionen über Kundenkarten im österreichischen Lebensmittelhandel mit 32 Prozent weit höher ist als in Deutschland mit unter 20 Prozent", kontert darauf Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will. Die Preisunterschiede etwa bei Bier seien deutlich geringer als suggeriert werde.

Darüber hinaus listet er einige Punkte auf, um die Preisunterschiede zu erklären: "Die höheren Preise in Österreich im Vergleich mit Deutschland oder Italien haben strukturelle Ursachen, das ist wissenschaftlich belegt. Wir haben etwa im direkten Vergleich mit Deutschland eine höhere Filialdichte, teurere Verkehrswege aufgrund unserer Topografie, ein kompliziertes, starres Überstunden-Zuschlagssystem, um vier Prozent höhere Lohnnebenkosten, höhere Personalkosten sowie generell höhere Steuern und Abgaben." Außerdem sei der österreichische Markt deutlich kleiner. In Sachen Shrinkflation seien die "heimischen Lebensmittelhändler regelmäßig im Clinch mit den internationalen Produzenten, weil beispielsweise Grammaturen geändert werden, ohne die Beschaffungspreise entsprechend anzupassen", erklärt Will. Der heimische Handel sehe sich "als Anwalt der Kunden".

"Toxische Preise"

Anders stellt sich die Situation für Katharina Koßdorff,
Fachverbandsgeschäftsführerin der Lebensmittelindustrie, dar. Sie betont: "Seit zwei Jahren sind die Kosten für Rohwaren, Verpackung, Logistik und Energie durch die Decke gegangen und haben toxisch gewirkt." 2021 habe die Industrie die Preissteigerungen geschluckt, doch nun seien sie bei den Kunden angekommen. Da der Handel den Preis bestimme, müssten etliche Betriebe "die Füllmenge an den Preis anpassen", um noch kostendeckend zu wirtschaften. Gemogelt werde nicht, betont Koßdorff. Immerhin werde die Nettofüllmenge gemäß der Vorgaben auf der Packung angegeben und auch am Regal sei der Grundpreis ersichtlich.