Als die Raiffeisenbank International RBI vor genau einem Monat hervorragende Zahlen vorlegte, erschien das schlimmste aller Szenarien – Krieg – fast denkunmöglich. Heute hat die RBI organisatorisch an einigen Fronten zu kämpfen. Die schlimmste heißt Ukraine: Hier hält die RBI-Tochterbank den Betrieb "so gut wie möglich" aufrecht, sagt Strobl. In Russland, wo die RBI immer mit Abstand ihre größten Gewinne eingefahren hat, muss die Bank dagegen Rückzugsgerüchten entgegentreten. Ein anderes Minenfeld liegt in Österreich selbst: Da wird die Bank als notleidend wahrgenommen, obwohl sie das trotz der Schäden, die sie davontragen könnte, ganz sicher nicht ist. Der Aktienkurs ist in den Keller gestürzt. Die Bunkerstimmung an den Börsen traf die RBI auch Dienstag wieder voll.

Nach dem ersten Schock und vielen Notfallmaßnahmen geht die RBI jetzt an mühsame Aufklärungsarbeit. Am Dienstagabend stellten sich Strobl und Finanzchef Hannes Mösenbacher in einer knapp zweistündigen Telefonkonferenz Dutzenden Analysten von Investmentbanken aus aller Welt. In der erklärte Strobl, dem russischen Markt nicht den Rücken kehren zu wollen. "Es gibt keinen Grund, aus dem Markt hinauszugehen", so Strobl mehrfach. Damit tritt er Agenturmeldungen entgegen, die mittags von einem möglichen Ausstiegsszenario berichtet hatten. Montag hatte die RBI ausrücken müssen, weil Wifo-Chef Gabriel Felbermayr die RBI unter einem Rettungsschirm sah, was er später wieder zurücknahm.
Kurz vor der Analystenkonferenz hatte die RBI noch das Signal ausgeschickt, die Dividende für 2021 vorsichtshalber vorerst nicht auszuzahlen.

Das Währungsrisiko in Russland hat die RBI inzwischen umfangreich abgesichert. Dafür wurde mit internationalen Partnern ein Paket im Ausmaß von 1,4 Milliarden Euro geschnürt. Die russische Tochterbank ist finanziell völlig eigenständig, verfügt über 2,4 Milliarden Euro Eigenkapital. Strobl: "Die Bank kann weiter profitabel sein." Allerdings dürften die Risikokosten steigen, abhängig davon, wie tief Russland in die Rezession fällt. Das Gesamtexposure – die Hälfte davon sind Kredite – beziffert Strobl mit 22,9 Milliarden Euro, das ist die Summe aller Finanzpositionen, wo die Bank etwaigen Risiken ausgesetzt sein könnte. Laut Mösenbacher ist das Basisgeschäft der Bank sehr stark. Von Sanktionen sei nur ein Prozent des Gesamtexposures betroffen, muss also eingefroren werden.

Die ukrainische Tochterbank – bei ihr beträgt das Gesamtexposure 4,4 Milliarden Euro, davon 2,2 Milliarden Euro Kredite – halte die meisten Filialen weiterhin offen. "Das ist kritische Infrastruktur", so Strobl. Das Wichtigste ist die Bargeldversorgung. Teilweise kann es nicht mehr in alle Filialen transportiert werden. Ein Banknotbetrieb ist Strobl zufolge auch noch möglich, wenn das IT-Center der Bank zerstört werde.