Nicht nur die Olympischen Spiele wurden wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben. Auch Europas Banken müssen ihre Leistungsfähigkeit ein Jahr später als geplant unter Beweis stellen und sich dem Stresstest der EBA, der Europäischen Bankenaufsicht, unterziehen. Zu den 50 Banken, die getestet wurden, gehören auch zwei österreichische Institute: Die Erste Bank Gruppe und die Raiffeisen Bank International. Die italienische Bank-Austria-Mutter UniCredit wurde ebenfalls geprüft

In dem Stresstest wurde ein Krisenszenario angenommen, bei dem sich die Corona-Pandemie massiv verschärft und einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung in der EU um 3,6 Prozent bis 2023 auslöst. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Arbeitslosenquote nach oben schnellt, die Preise für Gewerbeimmobilien abstürzen und die Aktienmärkte einbrechen.

Das Szenario würde Europas Banken hart treffen, wie die Ergebnisse zeigen. Die Kapitalpuffer würden um ein Drittel sinken, in Summe wären das 265 Milliarden Euro. Die harte Kernkapitalquote als Puffer für Krisen würde in diesem hypothetischen Krisenszenario von 15,0 Prozent Ende 2020 auf 10,2 Prozent Ende 2023 sinken. Insgesamt wären die Geldinstitute für ein solches Krisenszenario gewappnet, urteilt die EBA.

Auch die sechs österreichischen Banken, die an den europaweiten Belastungstests der EBA und der Europäischen Zentralbank (EZB) teilgenommen haben, zeigten sich in diesen Simulationen "widerstandsfähig" und landeten "im europäischen Mittelfeld". Das erklärten Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA).

Sprudelnde Gewinne

Ganz überraschend kommen diese Ergebnisse nicht, hat doch die EZB in ihrer Rolle als oberste Bankenaufseherin bereits in der Vorwoche die Einschränkungen bei Dividendenzahlungen für Banken aufgehoben.

Und auch die Geschäftszahlen der Banken deuten auf volle Kassen hin. So konnte die Bawag ihren Nettogewinn um die Hälfte steigen und verspricht eine Rekord-Zahlung an die Aktionäre in Höhe von 420 Millionen Euro. Auch die Erste Group will eine Nachholdividende von einem Euro je Aktie Zahlen. 2020 war es noch die Hälfte gewesen.

Möglich wird das auch durch ein starkes Gewinnwachstum. Im ersten Halbjahr verdiente der Bankenkonzern netto 918 Millionen Euro. In der Vorjahresperiode waren es noch 294 Millionen Euro gewesen und auch im Vorkrisenjahr 2019 war der Gewinn des ersten Halbjahres 186 Millionen Euro niedriger. Österreichs zweite Großbank, die Raiffeisen Bank International, konnte ihr Ergebnis ebenfalls auf 612 Millionen Euro steigern. Zu möglichen Dividenden-Nachzahlungen hält sich die Bank jedoch (noch) bedeckt.

Lehren aus der Finanzkrise

Dass die Banken die aktuelle Krise so erfolgreich durchtauchen konnten, liegt durchaus auch an den Stresstests. Ihre Einführung war eine direkte Reaktion auf die Finanzkrise des Jahres 2008, die 2009 zu einem regelrechten Einbruch der Wirtschaft führte. Rund um die Welt haben sich Banken mit komplexen Wertpapieren verspekuliert, in denen Hypotheken auf US-Häuser gebündelt waren.

Banken mussten daraufhin ihre Bilanzen um Milliarden nach unten korrigieren, die Großbank Lehman Brothers war das prominenteste Opfer der Krise. In ganz Europa wurden Banken notverstaatlicht, auch in Deutschland mit der Hypo Real Estate oder in Österreich mit der Kommunalkredit oder der Hypo Alpe Adria. Das erhöhte die Staatsschulden, es folgte eine Staatsschulden-Krise. 

Mehr Risikopuffer

"Europa hat seine Lehren daraus gezogen", erklärt FMA-Sprecher Klaus Grubelnig. So mussten Banken eine qualitative Risikobewertung einführen. Auch die Eigenkapitalbasis, das sogenannten harte Kernkapital, musste erhöht werden. "2007 betrug der Wert bei Österreichs Banken im Schnitt 7,0 Prozent. Heute sind es rund 16 Prozent", sagt Grubelnig. Darüber hinaus hat Europa auch die Regeln für Banken harmonisiert und für die Eurozone gibt es eine Bankenunion unter Aufsicht der EZB. "Unser Aufsichtssystem ist heute komplett anders, dadurch ist die Finanzbranche auch viel krisenfester."

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die Krise 2008 ja von den Banken ausgegangen war, erinnert Grubelnig. "Heute sind die Banken vielmehr Teil der Lösung." Dennoch sieht der FMA-Sprecher die hohen Dividendenausschüttungen kritisch. "Wir wissen noch nicht, was passiert, wenn die staatlichen Stützungsmaßnahmen auslaufen. Wie viele Firmen werden das verkraften?" Es bestehe ein gewisser Insolvenz-Rückstau in Österreich und auch wenn die Kreditvorsorgen der Bank sehr hoch seien, gelte es vorsichtig zu sein. 

Hohes Vertrauen

Im internationalen Vergleich sei das Vertrauen in Österreichs Banken aber viel höher als noch vor 13 Jahren, erklärt Norbert Wohlgemuth, stellvertretender Vorstand des Instituts für Volkswirtschaft der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. "Die Rating-Agentur Moody´s stellt dem Bankensystem ein sehr gutes Zeugnis aus und für Standard&Poors gehört es zu den besten der Welt."

Bedeutend sei auch die Reaktion der Politik gewesen. Während die Regierungen bei der Finanzkrise nur zögerlich agierten, seien sie während der Coronakrise sehr großzügig gewesen. "Das treibt natürlich die Staatsschulden in die Höhe", merkt der Universitätsprofessor durchaus kritisch an. Auch das enorme Gelddrucken habe es 2008 nicht gegeben. Zumindest am Sparbuch sei Geld damit zum "Ungut" geworden, für das man mit Negativzinsen bezahlen muss. "Das macht mich sehr stutzig. Ich fürchte, das wird weitreichende Folgen haben." Eine weitere Krise in zehn Jahren, ein weiterer realer Stresstest, sei daher nicht unwahrscheinlich, resümiert Wohlgemuth.