Als Rainer Seele (60) vor sechs Jahren das Kommando auf der Brücke von Österreichs Öltanker OMV übernahm, war die fossile Welt der mächtigen Konzerne wie BP oder Shell noch weitgehend die alte Welt. Und das strategische Ziel der OMV, das Seele im Frühjahr 2018 in London der Öffentlichkeit präsentierte, war glasklar: Die OMV steckt sich höchst ehrgeizige Förderziele bei Öl und Gas, um in der Oberliga mitspielen zu können. Die Frage, ob dem nicht schon bald viel strengere Klimaschutzziele gegenüberstehen könnten, wurde wortreich beantwortet. Aussagekräftiger war damals der ungefilterte Kommentar eines OMV-Managers, der sein Mikrofon abgeschaltet glaubte, als er sinngemäß sagte, was diese blöde Frage soll. Die Klimaschutz-Diskussion, die heute große Teile der Politik bestimmt, war kein Thema. Und Rainer Seele geht bei der OMV noch schneller von Bord als erwartet.

Schon Ende August kehrt er der OMV den Rücken. Wahrscheinlich mit ausgesprochen guten Halbjahreszahlen, aber wohl trotzdem mit einer großen Portion Frustration. Zuletzt von vielen Seiten aus dem eigenen Haus in der Öffentlichkeit torpediert, nimmt der Norddeutsche seinen Hut, ein halbes Jahr früher als sein Vertrag es vorgesehen hätte.

Der Aufsichtsrat setzt ein klares Zeichen für einen Neuanfang. Der Steirer Alfred Stern (56) hatte dafür die besten Voraussetzungen. Erst vor zwei Monaten war er vom Chefsessel der OMV-Tochter Borealis in die OMV-Vorstandsetage gewechselt. Er hatte gar keine Zeit, zu tief in die verbrannte Erde der tiefen Gräben in der OMV zu steigen. Stern ist genau die Person, die für das steht, das Rainer Seele seit zwei Jahren als die neue Zukunft des Konzerns dargestellt hat: Eine OMV, die durch ein starkes Chemie- und Kunststoffgeschäft auch Kreislaufwirtschaft kann. Vereinfacht ausgedrückt müsse man eine PET-Flasche mehrfach zirkulieren lassen, bevor man sie verbrenne, so Seele.

Seeles schneller und nur konsequenter Strategieschwenk weg vom Mengen-Hype hin zum Chemiegeschäft könnte seinem großen Gegenspieler im Konzern, Johann Pleininger, zu schnell gegangen sein. Pleininger (59) ist ein OMV-Urgestein. Seit 1977 im Konzern. Ein Spitzenmann der klassischen Öl- und Gasförderung.

Stern, die schlüssigere Wahl ...

Seele hatte ja auch erst große Lieferverträge mit Russland eingefädelt, aber nicht mehr vollständig finalisiert und stattdessen Rohstoffreserven für den Konzern über andere Mega-Deals im Mittleren Osten und Asien gesichert. Vor allem aber übernahm er vor gut einem Jahr die global tätige Borealis, die Grundprodukte für die Kunststoffindustrie herstellt, mehrheitlich. Der Vier-Milliarden-Euro-Deal eröffnete das Sperrfeuer auf Seele. Betriebsrat und auch Spitzenvertreter der staatlichen ÖBAG sollen heftig Öl ins Feuer der Tiraden, der Deal sei viel „zu teuer“, gegossen haben. Seele ließ schließlich sogar die eigenen Mitarbeiter nach den undichten Stellen durchleuchten.

In der Gretchen-Frage, wie stark das jahrzehntealte Kerngeschäft Öl und Gas die Zukunft der OMV bestimmen soll, hat der Aufsichtsrat die auch nach außen schlüssigere Wahl getroffen. Es war immerhin Alfred Stern, der die Borealis, die seit vielen Jahren beste Beiträge zum OMV-Ergebnis liefert, so auf die Erfolgsspur gebracht hat. Dass die Entscheidung zwischen Stern und Pleininger fällt und Christina Verchere, Chefin der OMV-Tochter Petrom, in Rumänien bleibt, galt schon vorher als praktisch sicher. Stern kommt aus Wagna. Er studierte an der Montanuni Leoben Kunststofftechnik und war viele Jahr bei DuPont. Der Vater von zwei Kindern wird Chef über 25.000 Mitarbeiter.