Es sind weltweit bekannte Namen wie jener des Sportartikelherstellers Nike oder der von Logistikspezialist Fedex die in den USA die Wogen hochgehen lassen. Der Anlass für die große Diskussion indes ist winzig klein. Eigentlich gar nicht vorhanden, wenn man dem US-Institut "ITEP" Glauben schenkt. Dieses hatte sich nämlich die Zahlen von 55 der 500 größten US-Konzerne angesehen und kam zum Schluss: Im vergangenen Jahr, dem Pandemiejahr 2020, hatten die Betriebe addiert zwar einen Vorsteuergewinn in Höhe von 40,5 Milliarden US-Dollar erzielt, davon zahlten sie jedoch keinen Cent an bundesweiten Gewinnsteuern. Weil sie, ein wichtiger Punkt, eine Vielzahl legaler Möglichkeiten ausnutzten, um dies zu umgehen.

Nun trifft diese Form der Steuervermeidung in Pandemiezeiten freilich einen besonderen Nerv. Zugleich braucht Neo-US-Präsident Joe Biden Mittel, um sein ambitioniertes, zwei Billionen US-Dollar schweres, Infrastrukturprogramm umzusetzen. Unternehmenssteuern sind dafür ein wichtiger Baustein der Finanzierung, das Erbe Donald Trumps wiegt gewissermaßen schwer. Dieser hatte erst 2017 die "Unternehmenssteuern", prinzipiell meint dieser Begriff meist die Besteuerung der Unternehmensgewinne, von 35 auf 21 Prozent deutlich gesenkt. Biden will den Wert wieder auf 28 Prozent anheben. 

Yellen: "30-jähriges Rennen endlich beenden"

Zudem wagte nun Bidens Finanzministerin Janet Yellen einen gewaltigen Vorstoß. In einer Rede zum Wochenbeginn geißelte sie den internationalen Steuerwettbewerb scharf. Ihr Lösungsvorschlag: Ein globaler Mindeststeuersatz für international operierende Unternehmen müsse das "30-jährige Rennen um die niedrigsten Sätze endlich beenden".

US-Finanzministerin Janet Yellen
US-Finanzministerin Janet Yellen © AFP

Der noch ambitioniertere Zeitplan des ambitionierten Ziels? Schon bis Mitte des Jahres sollen sich die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) auf die Eckpunkte einer derartigen Steuer verständigen. Und, als ob das nicht schon komplex genug sei, soll in einem Aufwischen auch gleich die lange diskutierte Digitalsteuer kommen.

Sehen wir nun also tatsächlich den Anfang vom Ende des weltweiten Wettlaufs um niedrige Steuersätze? Nun, ganz so einfach ist's freilich nicht.

Schratzenstaller: "Notwendig, aber nicht einfach"

"Notwendig, aber nicht ganz einfach umzusetzen" sei der Vorschlag Yellens, für den es sogar Zuspruch von Amazon-BossJeff Bezos gab, sagt dazu Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Notwendig sei er, da man "seit 2015" und einer Pause nach der Finanzkrise wieder beobachten könne, dass der internationale "Steuerwettbewerb an Fahrt aufnimmt". Ein Ergebnis: Konzern-Multis tragen eine "geringere Steuerlast als binnenorientierte Unternehmen". Das sei, so Schratzenstaller, "eine Wettbewerbsverzerrung".

Woran es bei der Umsetzung des einheitlichen Steuersatzes, für den unterschiedlichste Experten eine Höhe von 21 Prozent vorschlagen, haken könnte? Etwa an einem geeinten Europa, denkt man an Länder wie Irland oder Zypern, die Unternehmen weiter mit deutlich niedrigeren Steuersätzen locken. Außerdem sei die Frage heikel, für welche Unternehmen diese Gewinnsteuer wirklich gelten wird. Nicht zuletzt sorgt auch das "Ziellandprinzip" - wie schon bei der Digitalsteuer - für Kopfzerbrechen. Die Frage, in welchem Land etwa bei einem Digitalkonzern in welchem Ausmaß Wertschöpfung entsteht, ist schwierig zu beantworten. 

Prominenter Rückenwind

Warum Margit Schratzenstaller dennoch glaubt, dass die nunmehrige Initiative erfolgreicher sein könnte als jüngsten Versuche, eine globale Finanztransaktionssteuer oder eine Digitalsteuer auf den Weg zu bringen? "Mit der USA ist diesmal ein besonders gewichtiger Spieler an Bord."

Der zugleich Rückenwind von anderen ökonomischen Schwergewichten bekommt. Die globale Mindeststeuer sei "ein Anliegen, an dem ich schon sehr, sehr lange arbeite", heißt es dazu etwa von Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz. Und: "Wenn wir das schaffen, wäre das ein Durchbruch und eine Trendwende".

"Historische Gelegenheit"

"Wir müssen diese historische Gelegenheit ergreifen", meint wiederum der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, Unterstützung gibt es auch vom Internationalen Währungsfonds. Selbst mächtige Industrie-Vertreter äußern sich positiv zu den Überlegungen. "Ein globaler Konsens ist dringender denn je, um Doppelbesteuerungsrisiken und ausufernde internationale Steuerkonflikte zu vermeiden", sagt etwa Joachim Lang, Geschäftsführer des deutschen Industrieverbands BDI.

Komme eine Mindeststeuer, lohne es "weniger, aus rein steuerlichen Gründen den Firmensitz oder gar die Produktion aus Deutschland ins Ausland zu verlagern", ließ nicht zuletzt der Ökonom Gabriel Felbermayr die Nachrichtenagentur Reuters wissen. Die Diskussion aber dürfe sich "nicht nur um Steuersätze drehen, sondern auch um die Bemessungsgrundlage".

Krise als Beschleuniger

Was bleibt nun also übrig vom Vorstoß Janet Yellens? Jedenfalls steigt der Druck auf die G20, nun Ergebnisse vorzulegen. Denn was dieser Tage gerne vergessen wird: Die Diskussion um einen effektiven Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne ist nicht neu, sondern zieht sich schon über Jahre. Auf Ebene der OECD kam man diesbezüglich auch schon weiter, zuletzt aber verlor man an Tempo.

Just eine allumfassende Krise könnte diese Dynamik wieder zurückbringen und am Ende des Tages für ein Mehr an Steuergerechtigkeit sorgen.