Was als kleine Starthilfe für neue Produktideen begann, hat sich inzwischen zu einem veritablen Geschäftsfeld entwickelt: Die Rede ist vom Einsammeln kleiner Beträge von einer Vielzahl von Kunden oder Investoren, vom Crowdfunding. Im Jahr 2015 hat Österreich bestimmte Formen der Geldbeschaffung mit dem Alternativfinanzierungsgesetz neu geregelt.

Das hat vor allem in einem Bereich zu einem regelrechten Boom geführt: Dem Crowdinvestment in Immobilien. 2020 wurden auf diese Weise rund 72,3 Millionen Euro investiert. Drei Unternehmen kämpfen hier um die dominante Rolle am Markt: Dagobertinvest und Rendity aus Wien sowie die Grazer Rocket Holding. Sie bieten Investitionen in Immobilienprojekte zu sehr attraktiven Konditionen an. Sechs bis sieben Prozent Rendite sind durchaus üblich.

Das liegt allerdings auch an dem hohen Risiko. Den es handelt sich hierbei um Nachrangdarlehen, auch Mezzanin-Kapital genannt. Das besondere: Dieses Geld gilt als Eigenkapital und erhöht in einem Immobilienprojekt die Summe, die als Fremdkapital aufgenommen werden kann.

Geht jedoch was schief, kann das ganze Investment verloren gehen. Natürlich versuchen die Anbieter das zu verhindern und haben eigene Sicherheitsmechanismen, um mögliche Verluste für Investoren gering zu halten. Doch das Restrisiko bleibt.

Neue Möglichkeiten

Den Crowdfunding-Firmen sind jedoch die Hände gebunden. In Österreich dürfen sie nur diese Form der Finanzierung anbieten. Noch: Denn ab November stehen ihnen ganz neue Möglichkeiten offen. Die EU regelt das Crowdinvesting neu. In einer Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister für Unternehmen.

Diese schaffe ganz neue Möglichkeiten, erklärt der Europarechts-Experte Gernot Wilfling von der Kanzlei MPLaw. "Bisher gab es in jedem Land eine eigene Rechtslage. Ab November kann ein Crowdfunding-Unternehmen aber bei der Finanzmarktaufsicht eine EU-weit gültige Konzession bekommen." Nicht nur die Expansion in neue Märkte wird damit möglich, auch die Produktpalette erweitert sich.

Künftig können Firmenanteile mittels Crowdfunding vergeben werden oder Anleihen und Genussscheine. Darüber hinaus sind auch Kredite an Unternehmen möglich. "Das war bisher Banken vorbehalten", sagt Wilfling. Investoren bekommen dazu eine sechs Seiten lange Aufklärung. "Auch wenn hier klar festgelegt ist, welche Informationen beinhaltet sein müssen, ist das weniger aufwendig als ein Börsenprospekt." Wobei die Verordnung sehr klar Kredite für Private nicht umfasst. Das bleibe weiterhin den Banken vorbehalten.

Für Dagobertinvest-Geschäftsführer Andreas Zederbauer steht fest, dass er diese EU-Konzession beantragen werde. "Wir können damit Künftig Anleger aus der ganzen EU ansprechen." Mit einer Emissionsgrenze von fünf Millionen Euro könnten auch ganz andere Projekte finanziert werden. "Auch für Unternehmer tun sich hier neue Chancen auf."

Keine Sorge vor Konkurrenz

Große Sorgen um mehr Konkurrenz durch Plattformen aus dem EU-Ausland hat man beim österreichischen Marktführer Rendity hingegen nicht, wie Rendity-Geschäftsführer Lukas Müller erklärt. "Die Verordnung ist vor allem deshalb gut, weil es wieder mehr Klarheit für die Anleger gibt." Schließlich gäbe es hier nun sehr deutlichen Informationspflichten.

Welche der neuen Crowdfunding-Varianten Rendity nutzen wird, sei aber noch nicht klar. "Hier evaluieren wir derzeit noch. Aber der klassische Kredit wird es eher nicht sein. Wir müssen ja weiter mit Banken zusammenarbeiten." Anleihen oder Genussscheine seien hingegen durchaus interessant. Was derzeit aber noch nicht ganz klar ist die Frage, welche Voraussetzungen man für die FMA erfüllen muss, um diese EU-Lizenz zu bekommen.

Auch bei der Rocket Holding bereitet man sich schon auf die neue Verordnung vor, erklärt Gründer Wolfgang Deutschmann.  "Wir haben intern eine EU-Taskforce gebildet, um uns auf diese Konzession vorzubereiten und sie so schnell es geht zu beantragen, wenn die Anforderungen seitens der FMA klar sind." Deutschmann glaubt dennoch, dass auch mit der EU-Verordnung vor allem Immobilienprojekte bei Anlegern beliebt sein werden. "In Europa ist die Idee, einem Unternehmen Geld zu borgen, nicht weit verbreitet. Da muss man als Anleger schon etwas mutig sein."

Spannend sieht Deutschmann die Möglichkeit von automatischen Investitionen. "Anleger können sich dann beispielsweise auf Immobilienprojekte mit Grundstückssicherheit spezialisieren und dort monatlich 500 Euro investieren." Auch eine Art Sparplan werde dann möglich. "Das wird den Schritt ins Crowdfunding für viele Menschen deutlich erleichtern", ist Deutschmann überzeugt. Ein großer Schritt in ein neues Investment-Zeitalter.