Die Anwaltskanzlei Tilp verklagt im Wirecard-Skandal nun auch die Finanzaufsicht BaFin auf Schadenersatz. Die Amtshaftungsklage sei beim Landgericht Frankfurt eingereicht worden.

"Die BaFin hat sich unseres Erachtens jahrelang unter grober Missachtung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse eigener Ermittlungen gegenüber der Wirecard AG wegen Marktmanipulation verweigert", sagte Rechtsanwalt Andreas Tilp am Freitag. Obwohl sie die öffentliche Berichterstattung über massive Unregelmäßigkeiten bei Wirecard genau gekannt habe, sei die Behörde einseitig gegen Journalisten und Leerverkäufer vorgegangen.

Jahrelange Bilanzfälschungen

Wirecard ist einer der größten Bilanzskandale in der deutschen Geschichte. Der Dax-Konzern hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft München mindestens seit 2015 seine Bilanzen gefälscht. Doch erst Mitte Juni stellte Wirecards langjähriger Bilanzprüfer EY fest, dass rund 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten bei philippinischen Banken lagen, nicht existierten - ebenso wie große Teile des Asien-Geschäfts. Tilp hat wegen des Skandals bereits EY und frühere Vorstände des zusammengebrochenen Zahlungsabwicklers verklagt.

Tilp argumentiert, dass die BaFin mindestens für Geschäfte mit Wirecard-Papieren ab dem 18. Februar 2019 Schadenersatz leisten müsse. "Hätte sie ordnungsgemäß ermittelt, wäre der Bilanzbetrug am Freitag, dem 15. Februar 2019, längst öffentlich bekannt gewesen", sagte er. An dem Tag hatte die BaFin die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mit der Prüfung der Wirecard-Bilanz beauftragt. Wie in den früheren Klagen beantragte Tilp auch diesmal ein Musterverfahren. Bei einem Musterverfahren handelt es sich um eine Art Sammelklage, bei der einer im Namen von vielen klagt.

Neue Gesetze

Aktionärsschützer haben sich skeptisch zu der vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geplanten Verschärfung der Finanzaufsicht infolge des Wirecard-Bilanzskandals gezeigt. "Wir haben eigentlich alle Gesetzte die wir brauchen. Wir müssen sie nur anwenden", sagte Daniela Bergdolt am Freitag dem Bayerischen Rundfunk. Die bestehenden Gesetze müssten aber auch zu einer tatsächlichen Haftung führen. Als Beispiel nannte sie die Wirtschaftsprüfer von Wirecard. "Es muss klar sein, wer schlampig prüft, haftet. Das ist eine Sache der Rechtsprechung. Die wird jetzt kommen."

Die Grünen begrüßten zwar, dass sich Scholz infolge des Wirecard-Skandals "bei der Fehlerkorrektur ins Zeug" lege. "Doch genau das erwarten wir auch bei der Aufklärung", erklärte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Danyal Bayaz. "Wenn man etwas korrigieren möchte, muss man doch genau wissen, wo, warum und wie Fehler passiert sind", sagt Bayaz. Erst dann könnten Finanzaufsicht und Wirtschaftsprüfung so aufgestellt werden, dass Betrugsfälle künftig verhindert würden. "Aufklärung und Reform müssen Hand in Hand gehen."

Vor dem Hintergrund des mutmaßlichen Bilanzbetrugs des Finanzdienstleisters Wirecard will Scholz einem Medienbericht zufolge die gesetzlichen Vorschriften reformieren. Dazu habe der Minister einen 16 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan vorgelegt, berichtete die "Süddeutsche Zeitung". Er soll demnach so schnell wie möglich in entsprechende Gesetze münden, die bis Frühling 2021 verabschiedet werden sollen. Der Plan soll laut "SZ" mit dem Kanzleramt sowie den Ressorts für Inneres, Justiz und Wirtschaft abgestimmt werden.