"Diese Krise werden nicht alle Autohersteller überleben“, prognostiziert Constantin M. Gall, Mobilitätsexperte beim Beratungsunternehmen EY, in einer aktuellen Branchenanalyse. Die Auswirkungen der Coronakrise dürften die Bilanzen der weltgrößten Autokonzerne im zweiten Quartal demnach noch weitaus schlimmer abstürzen lassen als bisher. „Gerade Unternehmen, die vor allem auf dem europäischen Markt engagiert sind, wird es im zweiten Quartal hart treffen, denn hier war der Absturz besonders massiv“, so Gall.

Bereits im ersten Quartal sind die Gewinne der größten Autohersteller in Summe um 58 Prozent auf nur noch 7,5 Milliarden Euro eingebrochen. Doch „das zweite Quartal wird noch sehr viel schlechter ausfallen“, warnt Gall. Die Krise verstärke einen Abwärtstrend, der sich schon länger abgezeichnet habe. Hohe Investitionen in Elektrifizierung und Digitalisierung, Handelsstreitigkeiten und eine schwache Konjunkturentwicklung hätten die Margen unter Druck gebracht. Nun stehe eine lange Durststrecke bevor, Investitionen müssten auf den Prüfstand, Überkapazitäten abgebaut werden. Den einzigen Hoffnungsschimmer biete derzeit die „schnelle Erholung in China, von der vor allem die deutschen Autobauer profitieren dürften“.

Vitamin C reicht nicht, es braucht einen Defibrillator

Besonders alarmierend fallen die Einschätzungen von Elmar Degenhart aus. Der Vorstandschef des deutschen Autozulieferers Continental diagnostiziert in einem Interview mit der dpa: „Unsere Branche hat in Europa einen Herzstillstand erlitten.“ Er fordert ein Gegensteuern von der Politik. Denn der Herzstillstand lasse „sich nicht mit einer hohen Dosis Vitamin C beheben – es bedarf vielmehr eines Defibrillators.“

Zum schwierigen Strukturwandel aus Digitalisierung, E-Mobilität und Assistenzsystemen, der für viele kleine Firmen kaum zu schaffen sei, komme nun „eine Marktkrise, die so seit 1930 nicht mehr da war“, obendrauf, sagt er. Sein düsterer Ausblick: „Das zweite Quartal wird wohl wirtschaftlich das schwierigste der Nachkriegszeit werden. Wenn sich im Sommer keine deutliche Belebung des Marktes in Europa abzeichnet, befürchten wir trotz aller Stützungsmaßnahmen eine Reihe von Konkursen.“ Bei Herstellern stauen sich die Fahrzeuge in den Lagern, bei Zulieferern gehen die Bestellungen in den Keller. Der Ausschluss moderner Verbrenner aus den Autokaufprämien im deutschen Konjunkturpaket sei für ihn enttäuschend, so Degenhart. „Man muss sich vergegenwärtigen, dass E- und Hybridautos in Deutschland einen Marktanteil von acht Prozent haben. Das zeigt, dass die Wirkung begrenzt bleiben wird.“

Auch in Österreich sind keine Kaufprämien für Autos mit Verbrennungsmotoren vorgesehen, wie Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) der Kleinen Zeitung bestätigt: „Fossil betriebene Autos zu fördern, wäre aus klimapolitischer Sicht das falsche Signal“.

Wie dramatisch die gesamte Industrieproduktion in der Eurozone eingebrochen ist, zeigen Daten der Statistikbehörde Eurostat. Industriebetriebe produzierten im April – aufgrund teils geschlossener Fabriken, unterbrochener Lieferketten und fehlender Nachfrage – um 17,1 Prozent weniger als im März. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag das Minus bei 28 Prozent. „Dies sind mit Abstand die größten monatlichen Rückgänge seit Beginn der Zeitreihe.“