Die Regierung präsentierte am Samstag um 11 Uhr ein erstes, vier Milliarden schweres Paket zur wirtschaftlichen Bewältigung der Coronakrise. Es soll sich der Sicherung von Arbeitsplätzen, unter anderem durch ein neues Kurzarbeitsmodell, der Erhaltung der Liquidität sowie der Vermeidung von Härtefällen widmen.

Kanzler Sebastian Kurz schickte voraus: "Es wird nicht die letzte Maßnahme sein, aber es ist eine erste, um schnell helfen zu können."

Details zu den Maßnahmen und Anlaufstellen gibt's hier.

Vizekanzler Werner Kogler sprach von einem "dramatischen Impact auf die Wirtschaft" und davon, wie wichtig es ist, den Wirtschaftskreislauf am Laufen zu halten. "Dieses Paket ist ein großer Schritt. Andere Staaten sind noch nicht so weit. Alle, die nichts für diese Krise können, sollen überleben können." Kogler meinte weiter, dass es in der Finanzkrise ab 2008/09 noch relativ leichter gewesen sei für Staaten, gegenzusteuern. Damals habe sich die Krise von der Finanzwirtschaft in die Realwirtschaft vorgearbeitet, heute sei der "Einschlag von unten nach oben".

2020 kein Nulldefizit

Finanzminister Gernot Blümel stellte das Ziel eines ausgeglichenen Budgets unter dem Eindruck der Krise zurück. "Es wird ein Budget sein, wo wir allen helfen, die von der Krise betroffen sind. Es geht darum, ausreichend Geld für die Gesundheit und den Erhalt der Arbeitsplätze sicherzustellen", erklärte er.

Mit den vier Milliarden Euro wird ein Covid-19-Krisenbewältigungsfonds dotiert, geht aus einem Gesetzesentwurf hervor, der den Parlamentsklubs am Samstagvormittag übermittelt wurde.

Die Maßnahmen im Detail

Das sind die wesentlichen Ziele und Eckpunkte des Hilfspakets:

  • Liquidität erhalten
  • Arbeitsplätze sichern
  • in Härtefällen helfen

Diese Maßnahmen zur Erhaltung der Liquidität werden getroffen:

  • Kreditgarantien für Überbrückungsfinanzierung
  • Überbrückungskredite
  • Steuerstundung ohne Mahnzinsen
  • Herabsetzung Steuervorauszahlung
  • Stärkung und Beschleunigung der Exportförderung

Um Arbeitsplätze zu sichern, wird folgendes getan:

Hilfsmaßnahmen für Härtefälle, wenn andere Maßnahmen nicht greifen:

  • Zwei Härte-Fonds für EPUs und Familienbetriebe werden eingerichtet.
  • Dies ist notwendig, weil die Betroffenen im Regelfall weder von der Kurzarbeit noch von den Garantien profitieren.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sicherte zu, dass man rasch und unbürokratisch helfen werde. "So eine Situation wie diese haben wir noch nicht erlebt", betonte sie.

Neue Kurzarbeit

Sehr wesentlich am Hilfspaket ist ein völlig neues Kurzarbeitsmodell, das Ministerin Schramböck gemeinsam mit den Sozialpartnern Harald Mahrer (Wirtschaftskammer) und Wolfgang Katzian (ÖGB) präsentierte.

Die neue Form der Kurzarbeit ist mit 400 Millionen Euro dotiert. Schramböck sprach von einem speziellen Modell, das viel schneller als bisher, nämlich innerhalb von 48 Stunden wirksam werden könne. Neu ist auch eine bis zu 100-prozentige Kurzarbeit, das heißt, Firmen können ihre Beschäftigten im Rahmen der Kurzarbeit ganz nach Hause schicken, ohne sie kündigen zu müssen. Bis dato durfte der Arbeistzeitausfall bei Kurzarbeit maximal 90 Prozent der gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegten Normalarbeitszeit betragen.

"Der Sinn dieser Maßnahme ist, dass danach wieder schnell die Produktion aufgenommen werden kann", so Schramböck. Als neu bezeichnete sie auch den Härtefonds für Familienbetriebe (KMUs) und Ein-Personen-Unternehmen, die ein besonderes Risiko tragen und das Rückgrat der Wirtschaft seien.

Weitere Details zur neuen Kurzarbeit gibt es hier.

Schulterschluss der Sozialpartner

Darüberhinaus bezeichnete die Wirtschaftsministerin die Corona-Krise als "Weckruf für unsere Lieferketten". Bei Lebensmittel, aber insbesondere bei Medikamenten sei die EU stark von Asien abhängig. Schramböck erklärte, die EU habe ihren Vorschlag aufgegriffen, dass Europa wichtige Medikamente selbst herstellen müsse.

ÖGB-Chef Katzian sicherte die volle Zusammenarbeit zur Bewältigung der Krise und zum Erhalt der Arbeitsplätze zu. Galt in der Finanzkrise das Motto "Too big to fail", so müsse es jetzt heißen: "Too many to fail." Es gehe nicht um Kompromisse, sondern um Schicksale, um Existenzen.

WK-Boss Mahrer strich die unkomplizierte, ideologiebefreite Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung des neuen Kurzarbeitsmodells hervor. "Es ist beispiellos, wie schnell das Paket aufgestellt wurde und wie schnell es beschlossen wird. Das hat es seit 1945 nicht mehr gegeben." Mahrer verglich die Lage bereits mit der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits ab Montag sollen Unternehmen Anträge für das neue Kurzarbeitsmodell stellen können, so Mahrer. "Bei der Finanzkrise haben wir nicht gewusst, wohin sie uns führt. Bei dieser Krise wissen wir aber, sie wird einmal vorbei sein."

Verstaatlichung möglich, aber noch kein Thema

Auf die Frage, ob Österreich - wie die deutsche Regierung - im Fall des Falles zur Verstaatlichung zentraler Unternehmen bereit wäre, meinte Kurz: "Natürlich ist das möglich nach dem Epidemiegesetz. Dort, wo es nötig wäre, würden wir nicht davor zurückschrecken. Derzeit stellt sich diese Frage nicht."

Modifizieren will die Regierung aber offenbar die im Epidemiegesetz verankerten Schadenersatzansprüche. Diese sehen für Betriebe, die zur Bekämpfung des Coronavirus geschlossen werden, einen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstentgang vor. Darauf angesprochen kündigte Kurz "einige Gesetzesänderungen" an, denn: "Das Epidemiegesetz stammt teilweise aus einer Zeit, die mit einer heutigen nicht vergleichbar ist." Details nannte er nicht.

Wie viel die Krisenbewältigung im Endeffekt kosten wird, konnte Finanzminister Blümel noch nicht abschätzen: "Wie viel das am Ende des Tages kostet, das könnte ich nur beantworten, wenn Sie mir sagen, wie lange die Krise dauert und wie schwer sie wird."

Reaktionen

Die Industriellenvereinigung (IV) sieht in den heute präsentierten Wirtschaftspaket der Regierung und der Sozialpartner ein "Paket zur Stabilisierung der Wirtschaft". "Die heute vorgestellten Maßnahmen zur Sicherung von Standort und Beschäftigung leisten einen entscheidenden Beitrag, um Betrieben und Menschen Unterstützung, Sicherheit und eine Zukunftsperspektive zu geben", erklärte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer.

Gewerkschaften warnen davor, angesichts der Coronavirus-Pandemie Arbeitnehmerrechte zu beschneiden. Und sie fordern eine Rücksichtnahme auf die Mitarbeiter, die für die Bevölkerung den Alltag am Laufen halten. 

"Wenn jetzt schon zu Beginn der Krise einige Unternehmer fordern, Beschäftigte mit sofortiger Wirkung kündigen zu können, dann zerstört das den gerade jetzt so wichtigen Zusammenhalt in der österreichischen Gesellschaft," zeigte sich am Samstag Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, besorgt.

Forderung nach Beschränkung der Öffnungszeiten

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), erinnerte an die besondere Belastung für die Handelsangestellten. "Die Kundenfrequenzen sind vielerorts höher als zu Weihnachtsfeiertagen. Um ein Mindestmaß an Ruhezeit für die Beschäftigten im Lebensmittel- und Drogeriehandel zu gewährleisten, braucht es dringend eine Beschränkung der Öffnungszeiten von 8:30 Uhr bis maximal 18 Uhr", appellierte sie an die Handelskonzerne.

Der Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen der Wirtschaftskammer, Franz Hörl, wies heute Kritik an einer möglicherweise zu späten Schließung der Skigebiete zurück: "Jetzt nach Schuldigen zu suchen und manche an den Pranger zu stellen, ist weder sachlich fair, noch hilfreich in der aktuellen Situation. Man darf und sollte niemals vergessen, dass es hier auch um Existenzen geht und um Menschen, die nicht nur um Ihre Gesundheit, sondern auch um ihr Lebenswerk, um Ihre Mitarbeiter und viele einzelne Schicksale zittern."