Mitten in der Coronavirus-Krise plant die OMV eine über 4,1 Milliarden Euro teure Aufstockung beim Chemiekonzern Borealis und trennt sich dafür von Assets für 2 Milliarden Euro, muss aber auch bei Investitionen bremsen oder diese aufschieben. Der Borealis-Deal ist für OMV-Chef Rainer Seele eine Weichenstellung zur Dekarbonisierung. Den fossilen Anteil will man reduzieren und sich mehr dem Recycling zuwenden.

Die Versorgung mit Öl und Gas funktioniert auch in der Coronavirus-Krise weiter - versicherte der OMV-Chef am Freitag. Stark gesunken sei der Verbrauch von Kerosin. Irgendwann werde der Flugverkehr zurückkommen. Auch für die Investitionen der OMV werde die Weiterentwicklung auch der Corona-Effekte "sehr entscheidend sein", sagte Seele in einer Pressekonferenz. Sollte sich die Wirtschaft nicht erholen, werde man das Investitionsprogramm ab 2021 stärker hinterfragen müssen." Man müsse sich damit beschäftigten, dass wahrscheinlich eine globale Rezession drohe.

Keine Sorge wegen Aktienkurs

Finanzvorstand Reinhard Florey erinnerte, dass für heuer 2,4 Milliarden Euro Investitionen geplant waren. Diese würden nun im Lichte der Borealis-Aufstockung um 200 Millionen Euro auf 2,2 Milliarden Euro reduziert. Dabei gehe es um "einzelne kleinere Projekte im allgemeinen Bereich". Für 2021 sei eine Drosselung der Investitionen möglich, gab Seele zu verstehen: Ob man 2021 ebenso viel investieren könne, "werden wir im Vorstand diskutieren müssen".

Die Aktienkursrückgänge seien "Ausdruck einer großen Verunsicherung", denn das Vertrauen in die Wirtschaft sei derzeit an den Börsen geschwächt. Nötig wäre daher nicht nur ein Corona-Impfstoff, sondern auch ein "Impfstoff für die Wirtschaft", so der OMV-Chef: "Ich hoffe, dass die Politik hier reagiert."

Finanziert werden soll die Aufstockung bei Borealis von 36 auf 75 Prozent durch Verkäufe für vorerst 2 Milliarden Euro - weitere könnten später folgen, sind aber noch nicht spruchreif. Auch sollen 700 Millionen Euro an Synergien bis 2025 gehoben werden. Dennoch wird die Verschuldungsrate (Gearing) vorübergehend stark ansteigen, soll bis Ende 2021 aber wieder im Zielbereich von 30 Prozent liegen, erklärte das OMV-Management am Freitag.

Transformation in Richtung Chemie

Mit der Vollkonsolidierung der Borealis leite der Konzern den Transformationsprozess von einem traditionellen Öl-Gas-Konzern zu einem Öl-Gas-Chemie-Konzern mit einer Wertschöpfungskette vom Bohrloch bis zu hochwertigen Kunststoffe ein, so der CEO: "Die OMV stellt damit die Weichen für eine CO2-ärmere Zukunft."

Gemeinsam hätte der Konzern auf Basis der Vorjahreszahlen 27.000 Mitarbeiter, über 30 Milliarden Euro Umsatz und 5,4 Milliarden Euro operativen Cashflow. Kunststoffe würden auch weit über das Jahr 2050 hinaus eine Bedeutung haben, dann allerdings wohl zu 60 Prozent aus recyclierten Materialien bestehen. Die Lebensdauer der Produkte werde höher sein, und gemeinsam mit Borealis werde die OMV eines der führenden Kreislaufunternehmen werden, sagte Seele. Heute sei man zum relativ hohen fossilen Anteil gezwungen, man bereite sich aber vor, diesen zu reduzieren.

Ziel der OMV sei es, Öl nicht einfach zu verbrennen, sondern vermehrt zu hochwertigen Produkten zu veredeln. Das Portfolio werde in Richtung von Produkten erweitert, die auch in einer CO2-ärmeren Welt stark nachgefragt seien. Die künftig längere Wertschöpfungskette werde als natürlicher Hedge zwischen den unterschiedlichen Rohstoffen und Produkten fungieren. "Durch die Akquisition von Borealis wird die OMV deutlich wertvoller", sagte der CEO in einer Pressekonferenz. Von Anfang an werde die OMV voll von den Borealis-Dividenden profitieren. Die OMV selbst sei finanzkräftig und werde ihre progressive Dividendenpolitik beibehalten, versicherte Seele.

Raffinerienvorstand Thomas Gangl betonte, dass der Borealis-Merger auch "die" Sicherung des OMV-Standorts Schwechat darstelle. "Weil wir jetzt die Unsicherheit weghaben, wie Borealis dort weiter vorgehen will." Jetzt könnten OMV und Borealis dort "gesamtheitlich optimieren", auch die ReOil-Anlage der OMV stehe dort. Zudem sollen künftig die beiden Raffinerie-Standort Wien-Schwechat und Burghausen/Inn besser aufeinander abgestimmt werden, bei den Produkten, durch einen gemeinsamen Einkauf und hinsichtlich der operativen Kosten, die man sich ansehen werde.

Natürlich werde sich das Gearing durch den Borealis-Merger erhöhen, man habe aber Maßnahmen beschlossen, damit die Rate Ende 2021 ohne Berücksichtigung des Leasing auf 30 Prozent gedrückt werden könne, hieß es am Freitag.

Neben dem Verkauf des 51-Prozent-Anteils am Pipelinebetreiber GasConnect - hier wird exklusiv mit dem Verbund gesprochen, aber ohne konkreten Zeithorizont - ist das auch ein Verkauf des Netzes von 287 Tankstellen in Süddeutschland: Entscheidend dafür sei die mittlerweile geänderte Produktpalette der OMV-Raffinerie Burghausen in Bayern am Inn. Ursprünglich wurde dort Sprit produziert, nun ist man auf Kerosin und Petrochemie ausgerichtet.

Andere anstehende große Zukäufe schiebt die OMV auf, die Achimov-Transaktion mit der russischen Gazprom zum Beispiel bis 2022. Auch zum rumänischen Erdgasfeld Neptun werde man erst später entscheiden, hieß es am Freitag.

Auf den Gasknoten Baumgarten östlich von Wien in Niederösterreich werde sich der Ausstieg aus der GasConnect und die geplante Abgabe des Anteils an den Stromkonzern Verbund nicht auswirken, sagte Seele. Die OMV bleibe im Gashandel- und -vertrieb tätig und Baumgarten Gashandelspunkt für Österreich und Osteuropa.