In einer Welt des Informationsüberflusses ist Aufmerksamkeit ein knappes Gut. Die Knappheit dieses Guts beeinflusst in zunehmendem Maße unser Zusammenleben, unseren öffentlichen Diskurs, und sie wird zur Gefahr für die Demokratie an sich.

Wie generiert man möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit? Indem man weit überspitzte Aussagen tätigt, sich als bekannte Persönlichkeit selbst widerspricht und andere, oft ad personam, angreift. Diese Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomik gelten nicht nur für die Politik, sondern auch für die Wissenschaft. Das erschwert es, seriöse Debatten zu führen.

In der Wirtschaftswissenschaft gibt es – wie in anderen Bereichen – unter den Aufmerksamkeitsheischern Weltuntergangsschreier und Scharlatane.
Die Ersteren sehen einmal den Zerfall des Euro vor der Tür, schätzen dann das Platzen von Preisblasen (Finanzkrisen) als imminent ein und konstatieren schließlich die ultimative Überschuldung Italiens. Je größer die Milliardenbeträge an potenziellen Verlusten, je düsterer die Szenarien, desto mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Schlagzeilen sind sicher. Das geht so weit, dass sich einige Experten, meistens Männer, der hellseherischen Fähigkeiten rühmen, die letzte Finanzkrise prognostiziert zu haben; wobei sie in Wirklichkeit über viele Jahre jedes Jahr den Crash an die Wand gemalt haben, nur nie den Zeitpunkt und die Ursache. Das ist so hilfreich wie die Prognose, dass es im Winter eine Grippewelle geben wird.

Die Zweiten erzählen obskure Geschichte, die ihnen ein Medienmonopol sichert, weil gerade öffentlich-rechtliche Medien davor zurückschrecken, krasse Minderheitsmeinungen einfach zu ignorieren.

Die Nachfrageseite in der Aufmerksamkeitsökonomie sind die Rezipienten von Information, Leserinnen, Seher und Nutzerinnen von sozialen Medien – also Sie. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Zuspitzung und Pointierung in der Wissenschaft sind notwendig und gut. Je mehr seriöse Information aber nachgefragt wird, desto höher ist die Qualität des öffentlichen Diskurses und desto robuster die Demokratie.

Martin G. Kocher leitet das Institut für Höhere Studien