Auf der Autobahn wiederholt sich stets dasselbe Bild, links ein Hochhaus neben dem anderen, rechts ein Hochhaus neben dem anderen, ein regelrechter Betonwald. Die Provinz Jiangsu, nordöstlich von Schanghai, gehört zu einer der bevölkerungsreichsten Chinas. So groß wie Österreich und Slowenien zusammen, ist sie die Heimat von rund 80 Millionen Einwohnern.

Eine der größten Städte der Region ist Changzhou mit einem eigenen „International High-Tech District“. Hier wird der Betonwald durchbrochen. Es öffnet sich ein Boulevard, vier Spuren, getrennt durch einen Grünstreifen, links und rechts gesäumt von Bäumen. Genau hier, Tausende Kilometer von Österreich entfernt, hat die Agrana AG eine neue Fabrik gebaut. Den meisten Konsumenten ist das Unternehmen als Produzent des „Wiener Zucker“ bekannt.

Doch Zucker erzeugt der Agrarkonzern nur an zehn seiner 58 Standorte. Die meisten Fabriken stellen Fruchtsaft oder Fruchtzubereitungen her. Und nun auch in Changzhou. Hinter dem Wort Fruchtzubereitung verbergen sich Obstteile, die sich beispielsweise in Fruchteis oder Joghurt finden. Mehr als ein Drittel des Umsatzes, konkret rund eine Milliarde Euro, macht das Unternehmen in diesem Bereich. Bereits seit 2001 ist Agrana in diesem Marktsegment in China aktiv.

Joghurt-Boom

Als China von einem regelrechten Joghurt-Boom erfasst wurde, baute Agrana 2012 in Dachang bei Peking eine komplett neue Fruchtzubereitungsfabrik. Vor allem Trinkjoghurts haben es den Chinesen angetan. Zwischen 2013 und 2018 legte der Verbrauch jährlich um rund 16 Prozent zu.

„2017 haben wir daher entschieden, ein zweites Werk zu bauen“, erklärt Agrana-Vorstand Stephan Büttner. 22 Millionen Euro wurden in das neue Werk investiert. Zur Eröffnung erschien sogar der Bürgermeister von Changzhou, Chun Ding.

Die Standortentscheidung fiel nicht zufällig auf die Region rund um Schanghai. „Hier sind viele unserer Kunden“, sagt Johannes Kleppers, CEO von Agrana Fruit. Lange Transportwege zahlen sich finanziell nicht aus. Außerdem ist Obst nun einmal ein Naturprodukt, das lange Fahrten im Lkw nur schlecht verträgt.

„In China gab es in den vergangenen Jahren Lebensmittelskandale“, erklärt Reepers. Deshalb legen die Konsumenten hier inzwischen einen hohen Wert auf Qualität.

Image-Politur

Das macht Agrana auch für Yili interessant, einen der größten Molkereikonzerne des Landes. Als 2008 der chemische Stoff Melamin in Säuglingsnahrung gefunden wurde, war auch Yili betroffen. Ein Faktum, über das heute nicht mehr gesprochen wird. Überhaupt will der Konzern sich das Image eines Qualitätsherstellers zulegen. Und da passt ein Zulieferer gut ins Konzept, der nach österreichischen Standards arbeitet.
Optisch unterscheidet sich die Molkerei kaum von einer europäischen.

Dass man in China ist, verrät aber die Anstecknadel der Kommunistischen Partei, die am Revers des Werkleiters glänzt. Übrigens: Ein viertel Liter Trinkjoghurt kostet im Supermarkt umgerechnet 80 Cent, nicht billiger als in Österreich. Damit ist es in China kein Produkt für die Masse, sondern für Wohlhabende.

Abgefüllt werden Trinkjoghurts in den Geschmäckern Erdbeer-Hafer und Pfirsich-Hafer. Diese Fruchtmischung mit Hafer könne in China außer der Agrana auch niemand herstellen, sagt Büttner. „Das Produkt muss ja immer gleich schmecken.“ Schließlich würden sich die Kunden ja an den Geschmack gewöhnen – mit positivem Nebeneffekt: Agrana ist als Zulieferer schwer zu ersetzen – auch weil der Marktanteil in dem Segment bei über 60 Prozent liegt.

Wie wertvoll „Qualität aus Österreich“ ist, zeigt das dritte Yili-Produkt mit Agrana-Zutaten: ein Löffeljoghurt mit Schokokügelchen, importiert aus Österreich. „Das macht das Produkt zwar etwas teurer“, erklärt Büttner, „es ist aber beim Endkunden ein wichtiges Verkaufsargument.“