Der Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen zieht eine beispiellose Rückrufaktion von Autoherstellern wegen hoher Abgaswerte nach sich. Die deutschen Hersteller Audi, Porsche, Mercedes, Volkswagen und Opel wollten freiwillig in diesem Jahr rund 630.000 Fahrzeuge zurückrufen, um eine Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung zu ändern, erklärte ein Regierungsvertreter am Freitag in Berlin.

Einige ausländische Hersteller, wie etwa Renault, hätten zum Teil ähnlich gelagerte Zusagen gegeben, sagte der deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Grund sei eine erforderliche Änderung der Abschaltvorrichtungen für die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen. Bei Tests des Kraftfahrtbundesamtes seien keine Fahrzeuge mit illegaler Software entdeckt worden, wie sie bei VW verwandt worden war.

Die verwendeten Abschaltvorrichtungen seien nach EU-Vorgaben möglich, ergänzte der Minister. Es gebe aber Zweifel in der Untersuchungskommission, ob diese Vorrichtungen zum Schutz von Bauteilen tatsächlich notwendig seien.

Umrüstung im Sommer

Die meisten betroffenen Fahrzeuge sollten noch im Sommer umgerüstet werden. Die Autobauer ziehen damit die Konsequenz aus den Prüfergebnissen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), die der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt am Nachmittag vorstellen will.

Bei den knapp 60 getesteten Wagen aller Hersteller sei zwar keine illegale Software gefunden worden. Aber es würden "Thermofenster" genutzt - eine Steuerung, die bei niedrigen Außentemperaturen die Abgasreinigung herunterfährt, damit der Motor keinen Schaden nehme. Bei manchen Modellen habe dies bereits bei einer Außentemperatur von 18 Grad begonnen, hieß es. Dieses Fenster werde von allen Herstellern mehr oder weniger ausgenutzt.

Über diese Technik hatte zuvor etwa Mercedes-Benz informiert als Begründung für höhere Diesel-Abgaswerte im Straßenbetrieb. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte die hohen Werte bei Mercedes, aber auch bei Opel und Renault angeprangert. Daimler hatte hingegen betont, dies sei von einer Ausnahmeregel im EU-Recht gedeckt. Das sieht dem Regierungsvertreter zufolge auch die Abgas-Untersuchungskommission der Bundesregierung so. Doch hätten die Experten Zweifel, ob die Technik zum Bauteilschutz wirklich in allen Fällen notwendig sei. Die Bundesregierung wolle nun auf eine Klarstellung im EU-Recht hinwirken. Die Typgenehmigung des KBA soll außerdem verschärft werden. Die Hersteller müssen künftig erklären, ob und warum sie das "Thermofenster" nutzen und dies ausführlich begründen. Das KBA werde dann weitere Tests vornehmen.

Auch ausländische Hersteller wie etwa Renault gaben Zusagen, die betroffenen Fahrzeuge zurückzurufen. Von den deutschen Herstellern waren die getesteten Fahrzeuge von BMW am saubersten. Hier sei kein Rückruf notwendig, hieß es weiter.

Seit Ausbruch des Diesel-Abgasskandals bei Volkswagen ist die bisher übliche Praxis, dass Emissionen auf der Straße viel höher sind als auf dem Prüfstand, stark in die Kritik gekommen. Die DUH und Daimler liefern sich seit Monaten öffentlich einen Schlagabtausch über die Abschalttechnik, die gleichwohl anders arbeitet als die illegale Manipulationssoftware von Volkswagen, die half, bei den für die Zulassung geforderten Testzyklus auszutricksen. Der Wolfsburger Konzern hat sich inzwischen mit den Behörden in den USA, wo der Skandal aufgedeckt wurde, auf einen umfangreichen Plan zur Bereinigung von einer halben Million betroffenen Diesel-Fahrzeugen verständigt. Weltweit wurde die Software in elf Millionen Fahrzeuge des Konzerns eingebaut. Der Rückruf in Europa lief schleppend an.

Noch keine Details zu Österreich

Zu Österreich sind noch keine Details bekannt, wenngleich in den hiesigen Niederlassungen die Telefone heiß laufen.

Sobald die Konzernzentrale in Wolfsburg eine offizielle Stellungnahme abgibt, werde man über Details informieren, sagte der Sprecher der Porsche Holding, Richard Mieling, am Freitagnachmittag zur APA. Bei Opel Österreich seien noch keine Einzelheiten bekannt, so Sprecher Josef Ulrich. Und Mercedes ist "gerade beim Eruieren", sagte der Österreich-Sprecher Bernhard Bauer.

Volkswagen indes hat sich im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen am Donnerstag in den USA mit den Behörden auf Rückrufe und Schadenersatz für die Autofahrer geeinigt. Damit entgeht der deutsche Konzern im letzten Moment einer teuren Prozesswelle.

Aufgrund der unterschiedlichen Rechtslage sehen europäische Autobesitzer wohl kein Geld. In Österreich beklagt der Verein für Konsumenteninformation (VKI) dennoch diese Ungleichbehandlung und will den Druck auf den Konzern erhöhen. Der VKI unterstützt eine Sammelklagsaktion, die über eine niederländische Stiftung läuft - dies, weil es in Österreich kein geeignetes Reglement für Massenverfahren gibt. Die "Stichting Volkswagen Claim" zählt bisher knapp 100.000 Teilnehmer aus 26 Ländern, angepeilt wird ein außergerichtlicher Vergleich. Nach der Einigung in den USA hofft die Stiftung jetzt auf "konstruktive" Gespräche, wie sie am Freitag mitteilte.

Zum Vergleich: Weltweit sind bisher rund elf Millionen Fahrzeuge der VW-Konzernmarken mit manipulierten Abgaswerten unterwegs, davon rund 388.000 in Österreich.

Daimler in den USA unter Druck

Dunkle Wolken über Daimler: Der Autokonzern gerät wegen möglicherweise zu hoher Diesel-Abgaswerte in den USA unter Druck. Die im DAX notierte Aktie sackte an der Frankfurter Börse um fast sieben Prozent ab - das größte Minus seit mehr als einem halben Jahr.

Wegen hoher Kosten im Zuge von Modellwechseln und Lasten durch Währungsabwertungen in wichtigen Schwellenländern wie Russland und China, blieb unter dem Strich nur ein Gewinn von 1,4 Mrd. Euro hängen - im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von rund einem Drittel.

Daimler-Finanzchef Bodo Uebber wollte bei der Vorlage der Bilanz des ersten Quartals am Freitag nicht über mögliche Ergebnisse der Abgas-Prüfung in den USA und eventuelle Folgen spekulieren. "Wir können uns nicht zu weiteren Einzelheiten äußern." Daimler bleibe dabei, dass keine Abgase manipuliert wurden und nicht gegen Gesetze verstoßen worden sei. Dass sich die US-Justiz einschaltet, bedeutet für das Unternehmen ein hohes Risiko. Im Abgasskandal des Wolfsburger Konkurrenten VW hat die US-Regierung eine Milliarden-Geldbuße gefordert.