Die Finanztransaktionssteuer beginnt zu laufen. Zehn Euro-Staaten inklusive Österreich konnten sich doch noch auf die Grundsätze einer verstärkten Zusammenarbeit einigen. Nur Estland scherte aus der ursprünglich elf Länder umfassenden Gruppe aus.

Die Grundsatzeinigung sieht vor, dass weitere Verhandlungen über die Höhe der Steuersätze noch geführt werden. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) erklärte, nach jahrelangen intensiven Diskussionen und neun Monaten österreichischem Vorsitz sei es allerhöchste Zeit, voranzukommen. Die Umsetzung sei noch nicht festgelegt, aber "wir haben einen ganz entscheidenden maßgeblichen Schritt vollzogen, um den Prozess zum Abschluss zu bringen", so Schelling.

Aktien und Derivate

Die nunmehr verstärkte Zusammenarbeit der zehn Länder betreffe Aktien, Derivatkontrakte und andere Elemente. "Sollte es Einigung über den Vorschlag geben, kann man die nächsten Schritte vorbereiten. Wir würden anregen, dass die Experten mit der Kommission angemessene Steuersätze für die verschiedenen Varianten festlegen".

Die Einführung der Steuer war ursprünglich für 2016 vorgesehen. Neben Österreich, Deutschland und Frankreich waren zunächst Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowenien, Slowakei und Spanien in der Gruppe der elf Länder. Ohne Estland ist die Gruppe auf zehn Staaten geschrumpft, die Voraussetzungen für eine verstärkte Zusammenarbeit sind mindestens neun Staaten.

Schelling spricht von "Durchbruch"

Schelling hat die Einigung von zehn Euro-Staaten auf eine Finanztransaktionssteuer auf Basis der verstärkten Zusammenarbeit als "Durchbruch" bezeichnet. Schelling erklärte beim ECOFIN, die Grundsatzeinigung bedeute noch nicht die Einführung der Steuer. "Wir stehen an einem neuen Anfang."

Schelling meinte zum Ausstieg Estlands, das eigentlich als elfter Staat teilnehmen wollte, dass dies kein endgültiger Schritt des baltischen Landes sei. "Sie überlegen sich noch, ob sie bei einem entsprechenden Endresultat mitmachen werden." Der nächste Schritt sei nun, die offenen Fragen bis Sommer 2016 zu klären, u.a. die Höhe der Steuersätze.

"Ein guter Neuanfang"

Ein Ende der Finanztransaktionssteuer sei jedenfalls "in keiner Weise" gegeben. "Wir sind einen wesentlichen, vielleicht sogar einen entscheidenden Schritt weitergekommen", betonte der Minister. Auch die österreichische Vorsitzführung der vergangenen Monate in der Gruppe der elf, nunmehr zehn Staaten, sei positiv bewertet worden. "Wir waren bereit, neue Vorschläge bis zur letzten Minute einzubringen. Das ist jetzt ein guter Neuanfang."

Heute habe sich sogar die Niederlande zu Wort gemeldet und erklärt, wenn es möglich sei, die Bedingungen so zu schaffen, dass die Auswirkungen auf Pensionsfonds minimiert werden könnten, sei eine Beteiligung an der Finanztransaktionssteuer möglich. In Estland habe die dortige Regierung erklärt, es sei für sie nicht möglich mitzumachen, weil nur die Aktien und Derivate der Teilnehmerländer betroffen seien und nicht generell alle. "Das ist zwar rechtlich möglich, hat aber keine Mehrheit gefunden", erklärte Schelling.

"Verschiedene Varianten durchrechnen"

Jedenfalls könne "sich jeder noch überlegen, ob er beitritt, sobald die endgültige Unterlage vorliegt". Dies habe auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble klargemacht. Die zehn Finanzminister hätten aber einen "wesentlichen Durchbruch" geschafft. Kritische Stimmen habe es mehrere von Seiten der Nicht-Teilnehmerstaaten gegeben, Großbritannien sei hier führend, aber dies sei nichts Neues.

Zu den offenen Steuersätzen - 0,1 Prozent für Anleihen und 0,01 Prozent für Derivate - sagte Schelling, es sei gemeinsames Interesse, den österreichischen Vorschlag aufzugreifen, "möglichst alle Produkte drin zu haben, aber möglichst niedrige Sätze dafür zu verwenden". Nun gehe es darum, dass die technische Gruppe mit der EU-Kommission die verschiedenen Varianten durchrechne. Natürlich müsse die Steuer so hoch sein, dass die Verwaltung keine Mehrkosten bringe. Diese "Relation muss schon eine sehr gute sein".

Zahlen über allfällige Einnahmen einer solchen Finanztransaktionssteuer "driften sehr stark auseinander". Es sei ja immer die Frage, was genau besteuert wird. Aber "ich glaube, dass die Steuer vernünftige Einnahmen bringen wird, wenn auch bei weitem nicht in dem Umfang, wie man ursprünglich gedacht hat".

"Kaum Auswirkungen auf Realwirtschaft"

Die von zehn EU-Ländern inklusive Österreich unterstützte Finanztransaktionssteuer werde "kaum Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben", erklärte Schelling. Private Vorsorgeleistungen und Pensionsfonds würden nicht teurer.

Vom Umfang der Steuer seien vorerst nur staatliche Anleihen ausgenommen. Nun müsse ausgearbeitet werden, dass bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer die Kosten für staatliche Anleihen im Sinn auch der Derivate, die dahinter stecken, sowie für die Realwirtschaft "so klein wie möglich gehalten werden".

Die Arbeitsgruppe zu diesem Bereich bleibe bestehen. "Im Jahr meines Vorsitzes hatten wir neun Sitzungen der Finanzminister und 21 Sitzungen der technischen Arbeitsgruppe." Er hoffe jetzt auf ein Ergebnis, das "für alle tragfähig ist".

Frankreich lobt Schelling

Der französische Finanzminister Michel Sapin hat die Grundsatzeinigung von zehn Euroländern für die Finanztransaktionssteuer als großen Plan bezeichnet. Es handle sich um einen entscheidenden Schritt, sagte Sapin nach dem EU-Finanzministerrat Dienstag in Brüssel.

Frankreich sei dafür eingetreten, die größtmögliche Basis zur Erfassung der unter diese Steuer fallenden Produkte zu haben. In den vergangenen Monaten habe es verschiedene Betrachtungsweisen gegeben, welches Finanzinstrument ausgeschlossen werden könne. Dies sei mit Jahresende vorbei. Lob gab es von Sapin für die österreichische Vorsitzführung durch Finanzminister Schelling. Es handle sich um eine wesentliche Etappe, Frankreich sei zufrieden.

Reaktionen: "Nur viertbeste Lösung"

Verhalten zuversichtlich haben sich die Delegationsleiter von ÖVP und SPÖ im EU-Parlament über die Grundsatzeinigung von zehn Staaten auf eine Finanztransaktionssteuer gezeigt. Othmar Karas (ÖVP) erklärte, es handle sich um ein "längst überfälliges Signal, aber nur die viertbeste Lösung". Evelyn Regner (SPÖ) meinte, der Erfolg bei der Steuer müsse neuen Schwung bringen.

Karas begrüßte die Einigung. Allerdings handle es sich nur um einen "Minimalkonsens", dem weitere Schritte folgen müssten. Langfristiges Ziel müsse eine weltweite Finanztransaktionssteuer bleiben. Das Zweitbeste wäre eine EU-weite FTT, das Drittbeste ein gemeinsames Vorgehen aller Euroländer. Er bleibe aber optimistisch.

Regner erklärte, der Finanzsektor sei generell unterbesteuert. "Es ist längst an der Zeit, die Versprechen bezüglich einer Finanztransaktionssteuer einzulösen. Österreich ist mit neun weiteren EU-Mitgliedstaaten nun einen großen Schritt weiter". Bei der Besteuerung von Finanztransaktionen geht es aber jetzt darum, möglichst rasch an den Start zu gehen.