Die Deutsche Börse geht unter ihrem neuen Vorstandschef Carsten Kengeter in die Offensive. Der Konzern kauft für 725 Millionen Euro die Frankfurter Devisenhandelsplattform 360T und stemmt damit die größte Übernahme seit acht Jahren.

Durch den Zukauf, den Deutschlands größter Börsenbetreiber Sonntagfrüh ankündigte, steigt der Konzern zu einem der wichtigsten Spieler auf dem täglich rund fünf Billionen Dollar schweren Devisenmarkt auf. Der seit knapp zwei Monaten amtierende Vorstandschef Kengeter setzt damit ein Signal: Der langjährige Investmentbanker will auch im boomenden Index-Geschäft angreifen und zwei zusammen mit der Schweizer SIX betriebene Firmen übernehmen.

Anderer Wind

Den letzten großen Kauf tätigte die Deutsche Börse 2007, als sie 2,8 Milliarden Dollar (2,56 Milliarden Euro) für die US-Optionsbörse ISE auf den Tisch legte. In den darauffolgenden Jahren scheiterten mehrere Übernahme- und Fusionspläne, zuletzt der Zusammenschluss mit der New York Stock Exchange 2012. In der Folge ließ das Unternehmen die Finger von größeren Deals - bis zu Kengeters Amtsantritt in diesem Jahr. Der ehemalige Banker von Goldman Sachs und UBS machte schnell klar, dass unter ihm beim Frankfurter Konzern ein anderer Wind wehen soll.

Im Poker um 360T stach Kengeter den US-Konkurrenten CME aus, der bis zuletzt ebenfalls an der weltweit drittgrößten Devisenhandelsplattform interessiert war. Traditionelle Börsenbetreiber drängen seit einiger Zeit in den bisher kaum regulierten Devisenmarkt, an dem es seit Monaten hoch hergeht. Sie setzen darauf, dass auf Druck der Aufsichtsbehörden künftig mehr Devisengeschäfte über regulierte Plattformen abgewickelt werden. Die Deutsche-Börse-Derivate-Tochter Eurex bietet bereits einige Devisenmarktprodukte an, im klassischen Handelsgeschäft ist das Unternehmen bisher aber nicht vertreten.

Wertvollstes deutsches Finanz-Startup

Der Konzern wolle die Übernahme größtenteils über eine Anleihe finanzieren, sagte ein Sprecher. Ob es zusätzlich noch eine Kapitalerhöhung in kleinerem Umfang gebe, sei noch nicht entschieden. Ziel der Deutschen Börse sei es, das gute Rating ihrer Wertpapierverwahr-Tochter Clearstream nicht zu gefährden.

360T wurde 2000 vom ehemaligen Dresdner-Kleinwort-Banker Carlo Kölzer gegründet, seit 2012 gehört die Firma mehrheitlich der US-Beteiligungsgesellschaft Summit Partners. Kölzer und sein Management-Team sollen auch nach der Übernahme an Bord bleiben. Durch den Verkauf ist 360T das wertvollste deutsche Finanz-Startup aus der Internet- und IT-Welt (FinTech). Der Deal werde es auch für andere FinTechs leichter machen, Investoren zu finden, erklärte der Deutsche Startup-Verband.

Elektronische Handelsplattformen wie 360T haben den Devisenmarkt in den vergangenen Jahren umgekrempelt. Zur Jahrtausendwende liefen die meisten Geschäfte noch übers Telefon. Dabei bekamen Unternehmen aber meist nicht den besten Preis, da sie nur schwer mit mehreren Geldhäusern gleichzeitig sprechen konnten. Deshalb wechselten über die Jahre fast alle Konzerne auf Handelsplattformen, auf denen sie von mehreren Banken Angebote einholen können. Inzwischen sind 29 von 30 Dax-Unternehmen Kunde von 360T.

Marktanteil 15 Prozent

Über die Plattform wurden 2014 pro Tag im Schnitt Geschäfte mit einem Volumen von 90 Milliarden Euro abgewickelt. Weltweit kommt 360T nach Angaben des Branchenmagazins "Euromoney" derzeit auf einen Marktanteil von 15 Prozent - und liegt damit hinter FXall von Thomson Reuters (37 Prozent) und FX Connect (16 Prozent) auf Rang drei.

Die Deutsche Börse erwartet mittelfristig "Erlössynergien in erheblichem zweistelligen Millionen-Euro-Bereich", da 360T nach der Übernahme das Vertriebsnetzwerk des Unternehmens nutzen kann. Auch ohne die Berücksichtigung von Synergien werde der Zukauf den Cash Flow je Aktie erhöhen. Die Aufsichts- und Wettbewerbsbehörden müssen der Übernahme noch zustimmen. Die Deutsche Börse legt am Montagabend ihre Halbjahreszahlen vor. Am Dienstag wird sich das Management in einer Telefonkonferenz zu den Zahlen und vermutlich auch zum Kauf von 360T äußern.