Die stark zunehmende Arbeitslosigkeit Älterer habe weniger mit dem Senioritätsprinzip, wonach das Einkommen mit zunehmendem Alter steige, zu tun sondern mehr mit der Bevölkerungsentwicklung, da derzeit viele Beschäftigte über 50 Jahre alt seien. Zu diesem Schluss kommen die Experten vom Institut für Höhere Studien (IHS) in einer Studie, die Sozialminister Rudolf Hundstorfer heute präsentierte.

Die Studie entkräfte die Behauptungen, dass das Senioritätsprinzip, also eine bessere Bezahlung nach längerer Beschäftigung, für Arbeitslosigkeit Älterer verantwortlich sei, sagte Hundstorfer (SPÖ). Er setze hingegen auf eine Ausweitung der Unterstützung Älterer, etwa durch Beschäftigungsförderung, Bildungsmaßnahmen, Arbeitsstiftungen und spezielle Beratung und Betreuung für arbeitssuchende ältere Menschen und Qualifizierungsförderung. Dafür werden von 2015 bis 2017 insgesamt 720 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.

Lohnsubventionen als Starthilfe

Im ersten Halbjahr 2015 wurden 9.896 Personen mit Beschäftigungsbeihilfen in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert, 4.683 Älteren wurde eine Beschäftigung im 2. Arbeitsmarkt ermöglicht. Derartige Lohnsubventionen, die zu neuer Beschäftigung führen, seien wesentlich besser als der Bezug von Sozialleistungen, argumentiert Hundstorfer.

Insgesamt sind in Österreich 25 Prozent der unselbstständig Beschäftigten über 50 Jahre alt. Die Zahl der Arbeitslosen dieser Altersgruppe ist im Vorjahresvergleich um 16,2 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Verweildauer in Arbeitslosigkeit ist bei den Älteren mit 152 Tagen deutlich höher als insgesamt mit 119 Tagen, das heißt die Älteren finden später wieder einen neuen Job.

Die Beschäftigungsquoten der Älteren sind zwar in den letzten Jahren (1. Halbjahr 2012 zu 1. Halbjahr 2015) gestiegen: Bei Frauen von 55 bis 59 Jahren von 46,7 auf 53,7 Prozent, bei Männern dieser Altersgruppe von 66,2 auf 69,9 Prozent. Bei Männern zwischen 60 und 64 Jahren stieg die Beschäftigungsquote von 21,0 auf 26,9 Prozent. Vor allem bei Männern ab 60 liege die Quote aber noch deutlich unter dem Ziel für 2018 von 35,3 Prozent, so der Minister.

Arbeiter mit geringen Gehaltssprüngen

Die IHS-Experten haben sich die Senioritätsbestimmungen in Österreich im privaten Sektor angeschaut und die 30 wichtigsten Kollektivverträge aus sieben Branchen analysiert . Dabei fanden sie erhebliche Unterschiede in der Ausprägung der Senioritätsregelungen, die im wesentlichen nur bei Angestellten existieren. Bei Arbeitern gibt es in den Kollektivverträgen nur sehr geringe Lohnsteigerungen. Arbeiterinnen und Arbeiter stellen aber circa 70 Prozent aller älteren Arbeitslosen, hier könne die Arbeitslosigkeit also nicht an einer höheren Entlohnung Älterer liegen.

Am stärksten ist laut Studie das Senioritätsprinzip in der Finanz- und Versicherungsbranche ausgeprägt. Gerade dort liegt aber die Arbeitslosigkeit Älterer unter dem Durchschnitt. Generell sei der Beschäftigungsanteil Älterer in Branchen mit stärkerer kollektivvertraglicher Senioritätsentlohnung höher als in anderen Branchen. Im Branchenvergleich konnten die Wirtschaftsforscher jedenfalls keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Senioritätsindex und der Arbeitslosenquote Älterer feststellen. Eventuelle höhere Löhne für Ältere wirken sich demnach nicht beschäftigungsmindernd aus. Hingegen sind Personen mit zuvor geringsten Realeinkommenssteigerungen am häufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen. Umgekehrt sinke das Eintrittsrisiko Älterer in Arbeitslosigkeit mit der Höhe des Einkommens, die Besser- und Bestverdiener haben also ein geringeres Risiko des Jobverlusts.

Abstriche bei Gehalt

Wer allerdings seinen Job einmal verloren hat, der findet ab 50 Jahren meist erst später eine neue Arbeitsstelle. Viele müssen auch Abstriche beim Gehalt hinnehmen: Bei 61 Prozent der Älteren liegt das neue Gehalt unter dem Niveau des Einkommens vor der Arbeitslosigkeit. Und die Wahrscheinlichkeit, aus der Arbeitslosigkeit heraus einen Arbeitsplatz zu finden, sinkt mit zunehmendem Alter deutlich und liegt bei männlichen Angestellten zwischen 55 und 59 Jahren nur mehr bei rund 30 Prozent.

"Das Alter selbst ist das größte Hemmnis für Wiederbeschäftigung", resümierte IHS-Experte Marcel Fink, einer der Autoren der Studie. Die Verengung der Debatte zu Arbeitsmarktproblemen Älterer auf höhere Löhne für ältere Beschäftigte sei daher nicht sinnvoll. Vielmehr spielten andere Faktoren eine Rolle, etwa die mangelnde Bereitschaft zu Weiterbildungsmaßnahmen auf Seite der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Aktuell spiele die Demografie eine große Rolle, ergänzte IHS-Experte Helmut Hofer: Die zunehmende Arbeitslosigkeit Älterer habe auch damit zu tun, dass in dieser Altersgruppe derzeit einfach mehr Menschen seien.