Es war eine vermeintlich gute Gelegenheit: Da kann man nach Jahrzehnten endlich den Konkurrenten kaufen, der einem in der unmittelbaren Nachbarschaft so oft das Leben schwer gemacht hat. Und dann stellt sich die genutzte Möglichkeit, billig an einen guten Namen und viele Standorte zu kommen, als der wahrscheinlich kapitalste Fehler in der Firmengeschichte heraus: Die Übernahme der angeschlagenen Kette Stiefelkönig 2011 hatte die Grazer Leder & Schuh AG, deren starke Markenflagschiff Humanic ist, im Vorjahr an den Rand des Ruins gebracht. Seitdem laufen die Aufräum- und Reparaturarbeiten.

Jetzt kommt noch einmal ein kräftiger Schnitt. Die Mehrmarkenstrategie wird beendet. Die Diskonttochter Jello und die Kette Shoe4you stehen seit Mittwoch offiziell auf der Verkaufsliste. Das Unternehmen will sich auf seine Kernmarke Humanic verkleinern. Aktuell hat sie 150 Standorte, die meisten davon in Österreich und Deutschland, aber auch in Osteuropa von Polen bis Bulgarien.

Stiefelkönig wird reduziert

„Wir wollen uns fokussieren, nicht auf sieben Hochzeiten unterwegs sein“, sagte Vorstand Werner Weber im Gespräch mit Journalisten. In spätestens einem Jahr will der Vorstand beide veräußert haben. Auch von den Corti-Läden als Teil von Jello verabschiedet sich die Leder & Schuh AG.

Vom Stiefelkönig sollen nur „zwei Hände voll“, so Weber, also die besten von noch 30 Standorten unter dieser Marke weiterleben dürfen, der Rest wird zu Humanic-Filialen oder zugesperrt. Der Erfolgsdruck, der auf dem Vorstandsduo Heinzpeter Mandl und Werner Weber lastet, ist groß. Die im Juni des Vorjahres getroffene Vereinbarung mit den Banken, die Kreditlinien offen zu halten, läuft bis Ende 2016. Bis dahin muss der Konzern, der in zehn Ländern unterwegs ist, wieder fest auf den Beinen stehen.
Mandl und Weber sehen bereits die Wende zum Besseren.

Umsatz stabil

So ist der Gesamtumsatz 2014 zwar um zwei Prozent auf 520 Millionen Euro geschrumpft, flächenbereinigt aber stabil geblieben. Viel wichtiger: Der operative Verlust (Ebit) wurde in ein Plus umgedreht. Von immerhin knapp zwölf Millionen Euro Minus in 2,4 Millionen Euro Plus. „Ein vernünftiger Schritt zur Genesung,“ so Weber. Wegen der Finanzierungs- und Sanierungskosten stehen unter dem Strich der Bilanz allerdings immer noch rote Zahlen in Höhe von 11,3 (9,3) Millionen Euro.

Leder & Schuh hatte sein Standortnetz 2024 netto um 13 Filialen auf 349 verkleinert. Rund 160 Standorte werden mit Jello und Shoe4you vor allem in Österreich und Deutschland wegfallen. Einige wenige Diskontfilialen betreibt die Leder & Schuh AG auch in Slowenien und Kroatien.

65 Kündigungen

Man habe mit beiden Marken und in den jeweiligen Märkten unterkritische Größe, so Mandl. „Mit 60 Filialen ist man nicht mehr konkurrenzfähig.“ Die Standorte seien keine Verlustbringer, aber digitale Verkaufskonzepte auch für diese Vertriebsschienen aufzustellen, sei schlichtweg nicht zu schaffen. Ob der Verkauf noch einmal zu einer Personalkürzung führt, ließ der Vorstand offen. Im Moment sind weitere Kündigungen über die kürzlich bekannt gegebenen 65 hinaus kein Thema.

Die Leder & Schuh AG hat jedenfalls seit 2011 wertvolle Transformationszeit verloren. Statt viel Grips und Geld in die neuen digitalen Einkaufswelten zu investieren, musste sie mit viel Aufwand den maroden Stiefelkönig durchtragen. Dazu kam die spürbare Kaufzurückhaltung der Konsumenten. Die können heute ihre Schuhe gleich bei Zara oder H&M kaufen.

Konkurrent Deichmann rüstet sich seit Jahren zu einem Anbieter auf, der klassisches und digitales Shopping perfekt miteinander verschränkt. Den mächtigen Diskonter meinte Mandl vermutlich, als er sagte: „Andere fokussieren auf einen einzigen Bereich, eröffnen immer mehr Filialen und verschaffen sich so höhere Schlagkraft.“