Hier kennt man das: „Der ganze Wurstkorb um nur zehn Euro“. Viele der 400.000 Besucher der „Grünen Woche“ auf Berlins Messegelände sind für solche Botschaften empfänglich. Aber sie werden immer weniger. Zwar schildern die Messemanager unerbittlich das Wort „Ernährungswirtschaft“ aus, doch wandelt sich die größte Landwirtschaftsmesse der Welt in Teilen behutsam zu einem Genussereignis. Die Menschen wollen sich nicht ernähren, sie wollen genießen. Schon gar bei einem Eintrittspreis von 14 Euro.

Die Aussteller auf der „Grünen Woche“ zeigen immer schon, dass Landwirtschaft mehr ist als Ernährung. Die Osterweiterung der EU und ihre Wirkung auf die Menschen sind hier mit Händen zu greifen und mit der Zunge zu schmecken. Lettland ist heuer stolz darauf, dass es in diesem Halbjahr den EU-Vorsitz hat, und es zeigt, wie sich sein Lebensmittelsektor entwickelt. Wurden vor einigen Jahren noch große Gläser mit eingemachten Gurken als Beweise landwirtschaftlicher Leistungskraft präsentiert, belegen heute Sprotten aus Riga und feinstes Sauerkraut mit Äpfeln und Zwetschken kulinarischen Anspruch.

Apfelprinzessinnen, gekrönte Kartoffelhäupter

Ein Rundgang durch die „Grüne Woche“ ersetzt gewissermaßen eine Bildungsreise durch die Gefilde des kulinarischen Genießens. Dem entspricht die Fantasie beim Präsentieren der Genüsse. Dem Vorbild der viel beachteten Weinköniginnen aus Österreich folgen viele Nachahmer. Es gibt Apfelprinzessinnen, gekrönte Kartoffelhäupter und sicher irgendwo eine Zwiebelkönigin.

Natürlich ist auch der Ukraine-Konflikt spürbar. Russland bemüht sich, mit der besten und lautesten Show der „Grünen Woche“, den kürzesten Röcken und den höchsten Schuhabsätzen des weiblichen Personals und mit hoch professionellen Produktpräsentationen zu punkten. Dass Russlands berühmtestes Bier „Baltika“ heißt, kommt bei den baltischen Staaten wahrscheinlich nicht so gut an.
Dafür wird eine Halle weiter Sympathie der deutschen Besucher für die Ukraine spürbar. „Köstliches aus Luhansk“ und „Donezker Fleischtheke“ sind allerdings Wortschöpfungen findiger Berliner Gastronomen.

Die ukrainische Regierung hat ihre offizielle Teilnahme an der „Grünen Woche“ kurzfristig abgesagt. Wohl aus Geldmangel.

Selbst die Mongolei präsentiert sich hier dem Publikum. Ihr Auftritt ist dezenter als der Italiens, wo sich die Düfte von Salami und Südtiroler Speck auf interessante Art vermählen.

VON JOHANNES KÜBECK, BERLIN