AT&S ist bei vielen Entwicklungen von übermorgen vorne dabei. Welche Trends kommen?
ANDREAS GERSTENMAYER: Die digitale Revolution wird alle Lebensbereiche mit elektronischen Hilfsmitteln, die über das Internet verbunden sind, durchdringen. Vieles wird völlig infrage gestellt, etwa Vorlesungen an der Uni oder Reisebüros. Durch Kommunikation zwischen Maschinen wird auch die Automatisierung massiv voranschreiten.

Wir alle kennen die Bilder von der Google-Datenbrille, selbstfahrenden Autos oder zu schluckenden Mini-Kameras. Was ist so ein potenzieller Hit wie das Handy?
GERSTENMAYER: Die Frage ist, ob es das klassische Handy in fünf Jahren noch gibt oder ob ich diese Funktionen in einer Smart-Watch habe, sprachgesteuert via Bluetooth. Die komplette Funktionalität in einem Headset zu haben, ist auch eine Option. Ein Handy herumzutragen, war nur der Anfang, künftig wird das viel komfortabler.

Die Frage, wie klein es künftig noch geht, ist obsolet?
GERSTENMAYER: Was die Leiterplatte anlangt, geht es noch kleiner, viel kleiner, abhängig vom Nutzen, der erreicht werden soll. Der wird künftig eben weit über die bisherige Kommunikation hinausreichen. Ich gehe nicht mehr mit meinem digitalen Gerät in mein analoges Zuhause, sondern kann schon von unterwegs alles steuern. Es ist auch ein ganz anderer Einbruchschutz möglich.

Testen Sie das schon zuhause?
GERSTENMAYER: Ich bin analog. Es wird alles Mögliche geben, aber wir müssen nicht alles wollen. Jeder muss verantwortungsvoll überlegen, wo er mitmacht. Wenn ich will, kann ich Smart Payment für meine persönliche Effizienz nützen, es wird ein Profil von mir erzeugt, wann ich was wo einkaufe und mein Navi bremst mich ein und sagt, ich soll links beim Billa Milch kaufen.

Da klingt Skepsis durch.
GERSTENMAYER: Es muss noch viel über Datensicherheit nachgedacht werden. Natürlich ist elektronisches Zahlen komfortabel. Den Finger für den Fingerprint habe ich ja dabei, das Handy auch. Ihr einmaliger, nicht änderbarer Fingerabdruck ist damit aber digitalisiert im Internet und theoretisch überall verfügbar.

Was wird sicher noch kommen?
GERSTENMAYER: Ich bin überzeugt, dass die selbst fahrenden Autos nicht mehr so weit weg sind.

Sind Sie schon mitgefahren?
GERSTENMAYER: Leider nicht. Aber technisch ist alles bereit. Das Google-Car ist in Kalifornien mehrere Millionen Kilometer ohne Insassen im öffentlichen Verkehr gefahren, ohne Unfall. Audi kann das auch schon.

Habe ich eine politische Diskussion zu dem Thema verpasst?
GERSTENMAYER: Leider nicht. Europa könnte das wieder verschlafen. Wir brauchen dringend Konzepte. Warum bewirbt sich Wien innerhalb Europas nicht dafür, Vorreiter für autonomes Fahren zu sein? Bis jetzt sind an Europa die großen Technologietrends wertschöpfungstechnisch vorbei gegangen. In Österreich diskutieren wir noch darüber, wie wir Maria Theresias Schulsystem reformieren, obwohl wir über neue Berufsbilder nachdenken müssten. In Europa sind die Wenigsten experimentierfreudig, weil Misserfolg stigmatisiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Idee geschäftlich nicht funktioniert, liegt bei 90 Prozent. In anderen Kulturen sind Fehlversuche kein Problem, auch nicht für Banken.

KTM-Boss Stefan Pierer hat kürzlich weniger Mangel an Geld, sondern Mangel an Ideen beklagt.
GERSTENMAYER: Ideen gibt es genug. Viele Menschen haben in unserer Kultur keinen Glauben daran, daraus ein Geschäft zu machen, zumal Kleinunternehmer die vielen verlangten Sicherheiten nicht bieten können.

Ihr Blick in die Glaskugel 2030?
GERSTENMAYER: Wir haben keine Bildschirme mehr, setzen uns eine Linse als Projektionsfläche ins Auge, die man aktivieren und deaktivieren kann.

Das Ende der Fernseher . . .
GERSTENMAYER: Meiner ist schon im Keller. Ich lese – auf Papier.

INTERVIEW: CLAUDIA HAASE