Die Karten im deutschen Einzelhandel werden mit der Übernahme des Warenhausriesen Karstadt durch den Tiroler Investor Rene Benko neu gemischt. Benko kontrolliert nun den Essener Traditionskonzern mit seinen Luxus-, Sport- und Warenhäusern komplett - und gebietet auch über eine Reihe der Warenhausimmobilien, die er mit seiner Signa-Gruppe bereits geschluckt hatte.

Über die Motive des Immobilien-Millionärs, der wenig Erfahrung im operativen Handelsgeschäft hat, wird gerätselt. Doch in Branchenkreisen wird vermutet, Benko könnte in Zukunft einen neuen Anlauf unternehmen, eine "Warenhaus AG" aus Karstadt und dem Konkurrenten Kaufhof zu schmieden. Arbeitnehmer warnen bereits vor solchen Plänen. Zunächst aber müsste sich der Investor mit der Karstadt-Sanierung befassen, heißt es in der Handelsbranche - und die werde ein sehr harter und auch kostspieliger Brocken.

Warenhausallianz

Die Idee einer Warenhausallianz ist nicht neu, schon in der Vergangenheit hatten Benko und auch der scheidende Karstadt-Eigner Nicolas Berggruen versucht, Zugriff auf den Kaufhof zu bekommen. Gespräche mit dessen Mutterkonzern Metro führten nicht zum Erfolg: Metro-Chef Olaf Koch hatte den Verkaufsprozess für den Kaufhof nach seinem Amtsantritt im Jänner 2012 auf Eis gelegt. Auf Dauer, daran hat er keinen Zweifel gelassen, sei kein Platz für die Warenhäuser unter dem Metro-Dach.

Metro wollte Spekulationen um Kaufhof und Karstadt am Freitag nicht kommentieren. Ein Signa-Sprecher wollte sich nicht zu konkreten Plänen äußern. In Branchenkreisen hieß es aber, aktuell gebe es keinen Kontakt zwischen Benko und dem Düsseldorfer Handelsriesen. Vielleicht geht dieser aber auch einen Umweg: Immer wieder gibt es Gerüchte um Gespräche zwischen Benko und dem Metro-Großaktionär Haniel. Es habe lose Kontakte Benkos zu Haniel gegeben, hieß es in Branchenkreisen. Haniel wollte sich ebenfalls nicht zum Thema Kaufhof äußern.

Auch Planspiele für die Umsetzung einer Warenhausfusion gibt es bereits: Kaufhof könnte Karstadt schlucken oder umgekehrt - oder ein dritter Investor könnte auf den Plan treten und beide Warenhausriesen übernehmen und zusammenführen. Nach einem Umbau könnte die "Warenhaus AG" dann an die Börse gebracht werden.

Eines haben alle Szenarien gemein: Überflüssige Standorte würden geschlossen, Tausende von Beschäftigten müssten um ihren Job zittern. "Der Markt ist groß genug für zwei Warenhauskonzerne", sagte Arno Peukes, ver.di-Vertreter im Aufsichtsrat von Karstadt. Er hoffe, dass dies auch Benkos Sicht sei - dieser müsse bald seine Überlegungen für die Karstadt-Zukunft vorlegen.

Dabei hatten zumindest die damals noch rund 25.000 Karstadt-Mitarbeiter nach der Übernahme des Konzerns durch den Milliardär Berggruen 2010 auf ruhigere Zeiten gehofft. Berggruen wurde damals als Retter gefeiert. Das änderte sich rasch. "Statt in Karstadt zu investieren, hat Herr Berggruen über 2000 Arbeitsplätze vernichtet und Kapital aus dem Unternehmen gezogen", bilanzierte die Gewerkschaft Verdi nun. Investitionen wären aber dringend nötig gewesen, um Karstadt wieder auf Kurs zu bringen. Es sei nun an Benko, Geld in die Hand zu nehmen.

Verluste

Der Aufsteiger aus Tirol übernimmt mit Karstadt nun einen schwer angeschlagenen Riesen. "Karstadt ist in einem langfristigen Verfallsprozess", hatte etwa Analystin Barbara Ambrus von der LBBW gesagt. Verluste sind die Folge: Die Karstadt Warenhaus GmbH verzeichnete nach im Bundesanzeiger veröffentlichten Zahlen im Geschäftsjahr 2011/12 einen Fehlbetrag von 158 Mio. Euro - nach einem Minus von 20,8 Mio. Euro im Vorjahr. Aber auch die Premiumhäuser um das Berliner KaDeWe erwirtschafteten damals einen Verlust. 2012/13 fiel dann im traditionellen Warenhausgeschäft ein operatives Minus von 124 Mio. Euro an.

Konkurrent Kaufhof schreibt dagegen Gewinn: In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2013/14 legte der Umsatz der 137 Warenhäuser um 0,3 Prozent auf 2,4 Mrd. Euro zu, der operative Gewinn lag bei 179 Mio. Euro. Bei Kaufhof ist nach den Worten des Handelsexperten Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg anders als bei Karstadt kein Investitionsstau entstanden. "Metro kann in Ruhe abwarten, was bei Karstadt passiert", sagte ein anderer Handelsexperte. Und Kaufhof-Chef Lovro Mandac hatte geätzt, er werde Karstadt nur geschenkt nehmen. Nur einzelne Standorte seien interessant.

In Branchenkreisen hieß es, Benko müsse nun voraussichtlich 20 bis 30 unrentable Warenhäuser schließen, wenn er Karstadt wieder in die Spur bringen wolle - und schon das koste Geld. In die übrigen 50 bis 60 Häuser müsse er investieren. Es werde also teuer für Benko, Karstadt überhaupt erst fusionsfähig zu machen.

Metro-Chef Koch hat umgekehrt Bedingungen für eine Trennung vom Kaufhof formuliert: "An dem Tag, an dem wir einen fairen Preis bekommen und derjenige, der ihn aufruft, auch die nötige Finanzkraft hat, und drittens den Weg glaubwürdig weitergeht im Sinne einer Warenhausstrategie, dann werden wir das machen", hatte Koch in einem Reuters-Interview gesagt. "Was wir nicht tun werden, ist, beim Thema schlüssige Zukunftsstrategie die Augen zu schließen", versprach Koch. "Kaufhof ist eine Institution im deutschen Handel, wir dürfen nicht einfach die Zukunft dieses Geschäftsmodells für eine Finanztransaktion aufs Spiel setzen."