Die OMV war immer ein Tummelplatz für politische Einmischung, auf höchst politischem Niveau auf der einen Seite, auf der anderen Seite oft genug auf intellektuell niedrigstem Niveau. Ein gewisses Verständnis ist also aufzubringen, wenn der Konzern die Öffentlichkeit derzeit mickrig informiert. Die geplante Fusion der Chemietochter Borealis mit Borouge braucht genauso wenig Zurufe wie der juristische Kampf gegen die von üblichen Geschäftspraktiken völlig losgelösten Gazprom.

Deshalb wird es in der Hauptversammlung nächste Woche tausend Fragen hageln. Wer die OMV ein wenig kennt, darf vermuten, dass die OMV alles andere als traurig über ein mögliches Ende der bis 2040 einfach viel zu laufenden Gaslieferverträge mit Gazprom sein dürfte. Die OMV will ein Chemiekonzern werden, der Kreislaufwirtschaft beherrscht. Details zur juristischen Strategie im Umgang mit der Gazprom sind nicht zu erwarten. An dieser heißen Materie hängen viele Milliarden Euro, rund vier Milliarden pro Jahr.

Die elementare Take-or-Pay-Klausel in den Verträgen, also Zahlen auch bei Nichtabnahme, ist eine finanzielle Fußfessel, die an eine fossile Welt kettet, die es in 20 Jahren nicht mehr in dieser Form geben darf.

Im Gegensatz zu Ex-Boss Rainer Seele ist OMV-Chef Alfred Stern zu keinem Zeitpunkt mit den Russen auf Du und Du. Aus Sicht all jener ein Fehler, die sich ein Leben ohne Gazprom-Gas nicht gerne vorstellen wollen. Wie viele das sind, wurde klar, als der aus dem Kontext gerissene „Blutgeld“-Sager des ehemaligen Repräsentanten der EU in Österreich, Martin Selmayr, sogar die empörte Spitzenpolitik auf den Plan rief.

In höchsten Kreisen wird dem Russen-Gas munter die Mauer gemacht, auch in der ÖVP – konträr zum Koalitionsabkommen. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hörte für ihre fertige Diversifizierungsverpflichtung nur „Njet“. Von ÖVP und SPÖ. Obwohl auch Bomben Pipelines zerstören können. „Alle unsere Warnungen wurden völlig ignoriert“, ärgert sich Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss, kein Berater, kein Grüner. Industrie und Versorger sollten sich also gut überlegen, wegen höherer Gaspreise Wehgeschrei anzustimmen. Hoffentlich kommen nicht die Endkunden voll zum Handkuss.

Wenn SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder der Regierung Versagen vorwirft, ist das bösartig. Es war zu SPÖ-Kanzlerzeiten Christian Kerns, als die „OMV Norwegen“ an Russland verscheppert werden sollte. Was zum Glück vereitelt wurde. Und wie viel billiges Gas haben die Wien Energie und die Burgenland Energie zuletzt gebunkert?

Die Beteiligungen an russischen Gasfeldern wurden durch Putin-Dekrete enteignet. Die angedrohte Strafzahlung von 575 Millionen Euro gegen eine OMV-Tochter, sollte sie das Schiedsgerichtverfahren gegen Gazprom in Stockholm fortsetzen, ist für jeden nach Recht und Gesetz agierenden Konzern blanker Horror. Das ist die „Rue de la Gack“, wo Verträge einfach nichts mehr wert sind. Deshalb: Raus! So schnell es geht.