Die Europäische Zentralbank (EZB) tastet den Leitzins zum vierten Mal in Folge nicht an. Die Schlüsselsätze bleiben bei 4,5 Prozent bzw. 4,0 Prozent für bei der EZB geparktes Geld der Banken.

Präsidentin Christine Lagarde erklärte, die EZB habe gute Fortschritte in Richtung des Inflationsziels von zwei Prozent gemacht. Das mache den EZB-Rat zuversichtlicher, „aber wir sind noch nicht zuversichtlich genug“. Lagarde bekräftigte Erwartungen, dass man erst zur Jahresmitte einen umfassenden Überblick über den Verlauf der Inflation haben werde. Schon im April werde man etwas klarer sehen, „doch wir wissen viel mehr im Juni“, sagte Lagarde bei der Pressekonferenz nach der Zinspolitischen Sitzung am Donnerstag.

Inflation sinkt 2025 auf 2,0 Prozent

Die Ökonomen erwarten eine Inflation in der Eurozone von im Durchschnitt 2,3 Prozent für 2024. Noch im Dezember waren sie von 2,7 Prozent ausgegangen. 2,0 Prozent werden für 2025 prognostiziert, 1,9 Prozent für 2026. Die Projektionen für die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel sind ebenfalls nach unten korrigiert worden, und zwar auf einen Durchschnitt von 2,6 Prozent für 2024, 2,1 Prozent für 2025 und 2,0 Prozent für 2026.

Bis September 2023 hatte die EZB ihre Leitzinsen wegen der stark gestiegenen Inflation rasch und deutlich auf das jetzige Niveau angehoben, seither aber still gehalten. Derzeit beträgt der geldpolitisch wichtige Einlagensatz 4,0 Prozent. Der seit Längerem weniger entscheidende Hauptrefinanzierungssatz liegt um 0,5 Prozentpunkte darüber.

Schon seit einiger Zeit wird an den Finanzmärkten auf Zinssenkungen spekuliert, weil die einst sehr hohe Inflation in Richtung des EZB-Ziels von zwei Prozent fällt. Um den Jahreswechsel herum wurden noch bis zu sechs Reduzierungen um insgesamt 1,5 Prozentpunkte für möglich gehalten. Die Erwartungen sind jedoch deutlich gesunken und legen aktuell etwa drei bis vier Senkungen für 2024 nahe.

Am Geldmarkt gilt es derzeit als sehr wahrscheinlich, dass eine Zinssenkung im Juni kommt. Für die Sitzung im Juli ist eine Senkung sogar fast vollständig in den Kursen enthalten. Fachleute sehen dies meist ähnlich: Die Experten von Moody’s Analytics können sich einen ersten Zinsschritt im April oder Juni vorstellen. Der Vermögensverwalter Vanguard sieht den Lockerungsbeginn im Juni. Auch die Volkswirte der DZ Bank rechnen erst im Jahresverlauf mit einer Zinswende im Euroraum.

Führende Notenbanker warnten in den vergangenen Wochen davor, voreilig den Sieg über die Inflation auszurufen. „Auch wenn die Versuchung groß sein mag: Für Zinssenkungen ist es zu früh“, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel bei der Bilanzvorlage der Bundesbank am 23. Februar. Die Inflation sei zwar auf dem Rückzug, aber noch sei das Ziel nicht erreicht.

US-Notenbank-Chef Jerome Powell stellte am Donnerstag eine Abkehr von Hochzins im Laufe des Jahres in Aussicht. Wenn sich die Wirtschaft weiter gut entwickle und insbesondere die Inflation weiter sinke, könne und werde die Fed vorsichtig damit beginnen, die straffe geldpolitische Linie im Laufe des Jahres zurückzufahren.