Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte ihre Geldpolitik heute, Donnerstag, abermals nicht verändern. Bankvolkswirte rechnen überwiegend mit stabilen Leitzinsen, wenn sich der EZB-Rat in Frankfurt zu seinen geldpolitischen Beratungen trifft. Es wäre das vierte Mal in Folge, dass die Notenbank an ihrer Linie festhält.

Seit September hält die EZB still

Bis September hatte sie ihre Leitzinsen wegen der stark gestiegenen Inflation rasch und deutlich auf das jetzige Niveau angehoben, seither aber still gehalten. Die große Frage ist, wann die Zinsen sinken. Derzeit beträgt der geldpolitisch wichtige Einlagensatz 4,0 Prozent. Der seit längerem weniger entscheidende Hauptrefinanzierungssatz liegt um 0,5 Prozentpunkte darüber.

Spekulation auf Zinssenkungen

Schon seit einiger Zeit wird an den Finanzmärkten auf Zinssenkungen spekuliert, weil die einst sehr hohe Inflation in Richtung des EZB-Ziels von zwei Prozent fällt. Um den Jahreswechsel herum wurden noch bis zu sechs Reduzierungen um insgesamt 1,5 Prozentpunkte für möglich gehalten. Die Erwartungen sind jedoch deutlich gesunken und legen aktuell etwa drei bis vier Senkungen für 2024 nahe.

Gewissheit, dass Inflation dauerhaft sinkt

Die Linie der Notenbank ist relativ klar: Bevor die straffe Geldpolitik gelockert wird, will sich der Rat Gewissheit verschaffen, dass der zu beobachtende Inflationsrückgang dauerhaft ist. Solche Äußerungen waren in den vergangenen Wochen von zahlreichen ranghohen Notenbankern zu vernehmen.

Zwar gibt es auch Zentralbanker wie Italiens Notenbankchef Fabio Panetta, die mit Blick auf die schwächelnde Konjunktur frühere Zinssenkungen ins Auge fassen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass sich diese Fraktion im Rat schon jetzt durchsetzen kann.

Frage: Wann beginnt die EZB?

Es bleibt damit die Frage, wann die EZB mit Zinssenkungen beginnen könnte. An den Finanzmärkten wird derzeit die Juni-Sitzung als denkbarer Zeitpunkt angesehen. Fachleute sehen dies meist ähnlich: Die Experten von Moody‘s Analytics können sich einen ersten Zinsschritt im April oder Juni vorstellen. Der Vermögensverwalter Vanguard sieht den Lockerungsbeginn im Juni. Auch die Volkswirte der DZ Bank rechnen erst im Jahresverlauf mit einer Zinswende im Euroraum.

Wie stark diese dann ausfällt, ist unter Experten umstritten. Die Erwartungen reichen in etwa von drei Reduzierungen um insgesamt 0,75 Prozentpunkte bis hin zu Lockerungen von insgesamt 1,5 Prozentpunkten.

Größere Beachtung dürften am Donnerstag auch Prognosen der EZB zu Wachstum und Inflation finden. Die meisten Bankökonomen gehen davon aus, dass die Notenbank sowohl ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum als auch an die Teuerung reduzieren wird.

Nötiger Spielraum gegeben

Dies würde darauf hindeuten, dass die konjunkturelle Entwicklung für Zinssenkungen spricht und die rückläufige Inflation den nötigen Spielraum dafür liefert. Ein wichtiger Aspekt bleibt allerdings die Lohnentwicklung, die in diesem Jahr vor allem in den aktuellen Tarifrunden entschieden wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte darauf zuletzt mehrfach hingewiesen.