Die Grünen haben sich gegen eine vom Regierungspartner ÖVP geforderte Online-Klarnamenpflicht ausgesprochen. „Es braucht realistische und technisch machbare Lösungen, die nicht die Meinungsfreiheit einschränken und auch vor den Höchstgerichten halten“, so die Grünen anlässlich der heutigen Pressekonferenz von Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) und ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Viele Online-Plattformen reagieren langsam auf Beschwerden zu Bewertungen.

ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Karl Nehammer hatte Ende Jänner in seinem „Österreichplan“ die Einführung einer allgemeinen Online-Klarnamenpflicht bis 2030 angedacht. „Das Internet darf kein identitätsfreier Raum sein“, so Nehammer damals.

Auch die SPÖ lehnt eine Klarnamenpflicht ab und bezeichnete die ÖVP-Forderung am Mittwoch in einer Aussendung als „Ablenkungsmanöver“ angesichts „der anhaltenden Rekordteuerung, der Gesundheits-und Pflegekrise“. Bereits im November 2018 habe die ÖVP-FPÖ-Regierung die ein „digitales Vermummungsverbot“ angekündigt, aber nicht eingeführt, so die netzpolitische Sprecherin der SPÖ, Katharina Kucharowits.

Anfang Februar forderten Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) und NEOS-Politiker Sepp Schellhorn strengere Regeln für Bewertungen auf Online-Plattformen. Beide verwiesen auf Italien, dort habe Tourismusministerin Daniela Santanchè angekündigt, gegen anonym verfasste Bewertungen vorzugehen und die Plattformen zu Klarnamen zu verpflichten. Anfang der Woche sprachen sich Kraus-Winkler und Tursky in einer Aussendung für eine Klarnamenpflicht bei Online-Bewertungen aus und wiesen auf geschäftsschädigende Fake-Bewertungen hin.

Identität der User „muss eindeutig bekannt sein“

Tursky will mit der nationalen Umsetzung des EU-Digital Services Act (DSA) die Plattformen stärker in die Pflicht nehmen. Auch bei kleineren Plattformen, die in Österreich relevant sind, müsse der Plattform die Identität der User „eindeutig bekannt“ sein, aber „Nicknames“ sollten weiterhin möglich sein, sagte der Digitalisierungs-Staatssekretär am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Der DSA sei „das bestes Vehikel“, um unter anderem gegen Fake-Bewertungen und Hass im Netz vorzugehen. Bewertungsplattformen würden „immer häufiger zweckentfremdet“, so Stocker. Die Online-Plattformen müssten nach Ansicht von Tursky innerhalb von „wenigen Tagen“ auf Beschwerden reagieren.

Laut dem Wiener Anwalt Johannes Öhlböck reagiert zum Beispiel Google meist erst innerhalb von zwei bis sechs Wochen auf Anfragen, die das Löschen von Rezensionen betreffen. In manchen Fällen teile Google allerdings mit, dass die Bewertung nicht gelöscht werde. In diesem Fall könne man einen Rechtsanwalt einschalten, um die Bewertung löschen zu lassen. Neben Google-Maps gibt es viele Online-Plattformen, auf denen Bewertungen abgegeben werden können, etwa für Arbeitgeber (kununu), Ärzte (docfinder.at), Einkäufe (Amazon), Friseursalons, Kosmetik- und Nagelstudios und Massagen (Treatwell) und Hotels (Booking.com).

Wichtige Geschäftsgrundlage für Betriebe

Gute Online-Bewertungen sind heutzutage für viele Betriebe eine wichtige Geschäftsgrundlage. Viele, schlechte Fake-Bewertungen können dementsprechend wirtschaftlichen Schaden anrichten. „Um dieses Problem effektiv einzudämmen, müssen Plattformen dazu verpflichtet werden, technische Lösungen umzusetzen, wie unter anderem verifizierte Bewertungen sowie Hürden gegen Massen-Fake-Bewertungen bei klar erkennbaren Kampagnen“, so die Grünen-Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba und die Grünen-Tourismussprecherin Barbara Neßler in einer Aussendung. „Dass es bei negativen Bewertungen in der Tourismuswirtschaft Probleme gibt, ist bekannt“, bestätigte Neßler. Man dürfe der Branche „aber keine Scheinlösungen vorgaukeln, die nicht umgesetzt werden können“. Denkbar sei beispielsweise, Gastro- und Hotel-Bewertungen auf verifizierte Nächtigungen oder Restaurantbesuche einzuschränken.