Schon zu Jahresbeginn schaffte die Voestalpine, Österreichs größter privater Industriekonzern, das Superwahljahr ab. Zumindest auf eigenem Betriebsgelände. Dort nämlich, egal ob in der Steiermark oder in Oberösterreich, wolle man heuer keinen Besuch von wahlwerbenden Parteien empfangen. Eingerichtet wurde die politische Sperrzone für den Zeitraum von sechs Monaten vor dem jeweiligen Wahlgang – wovon alleine in der Steiermark mit Landtagswahl, Nationalratswahl und EU-Wahl drei gewichtige anfallen.

Den Politikerinnen und Politikern teilte die Voest das Vorgehen per freundlichem, aber bestimmt formuliertem, Brief mit. Der Hintergrund: In der Vergangenheit sei es im Vorfeld von Wahlen mehrfach zu einem Missbrauch des Besuchsrechts durch Wahlkampf-Trosse gekommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten sich anschließend ohne ihr Wissen auf Video-Clips oder Werbefotos in sozialen Netzwerken wiedergefunden. 

Markus Tomaschitz (AVL List)
Markus Tomaschitz (AVL List) © Doris Sporer

Für zwei weitere steirische Leitbetriebe ist die „Politik-Enthaltsamkeit“ vor der Wahl ebenso selbstverständlich: Bei AVL List bestätigt Markus Tomaschitz, Sprecher der Geschäftsführung, dass sechs Monate vor einer Wahl – egal, welche – keine Politikerbesuche mehr durchgeführt werden. Auch Kurt Bachmaier, Vice President von Magna Steyr, erklärt, dass es keine politischen Besuche in diesem Zeitraum geben werde, und dass man diese Vorgehensweise seit Jahren etabliert habe.

Kurt Bachmaier (Magna)
Kurt Bachmaier (Magna) © Oliver Wolf

Gernot Pagger, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Steiermark, bekräftigt, dass derlei bei „vielen Betrieben schon länger gelebte Praxis“ sei. Zugleich wisse man, dass die „Auseinandersetzung mit politischen Themen vor eine Wahl naturgemäß enorm wichtig“ sei. Betriebe aber seien dafür „nicht die geeignete Plattform“.

IV-Geschäftsführer Gernot Pagger
IV-Geschäftsführer Gernot Pagger © IV/Kanizaj

„Wir sind uns selbstverständlich bewusst, dass politische Besuche im Vorfeld einer Wahl sensibel gehandhabt werden müssen“, heißt es auch von Herbert Decker, Geschäftsführer der Maschinenfabrik Liezen (MFL). Zugleich verwehrt sich Decker gegen eine Art Betretungsverbot. Immerhin sei der „offene Dialog mit Vertretern des öffentlichen Lebens ein wesentlicher Bestandteil einer gesunden Demokratie und einer funktionierenden Marktwirtschaft“.

Die Treffen mit Politikerinnen und Politikern würden einerseits „wertvolle Gelegenheiten“ bieten, um „Meinungen auszutauschen, Informationen über unsere Branche und unsere Herausforderungen zu teilen“. Andererseits könne durch die persönliche Interaktion „wechselseitig tieferes Verständnis für die politischen und unternehmerischen Prozesse entwickelt werden“. 

MFL-Chef Herbert Decker
MFL-Chef Herbert Decker © Birgit Steinberger

„Unser Grundcredo lautet, dass Politiker-Besuche, die klare Zielsetzungen verfolgen und Verbesserungen für die Region, die Wirtschaft und die Belegschaft mit sich bringen, durchaus sinnvoll sind“, heißt es von Markus Seme, Geschäftsführer von BearingPoint Austria, einem IT-Spezialisten, der in Premstätten 200 Mitarbeiter beschäftigt. Von diesem Credo, so Seme, würde man auch „kurz vor Wahlkämpfen nicht abweichen“. Eine Absage erteilt der Manager indes „Inszenierungen von Politikern auf Kosten des Unternehmens“. Diese sollten „nie Platz haben“.  

Markus Seme (Bearing Point)
Markus Seme (Bearing Point) © Bearing Point

Von einem weiteren steirischen Mittelständler, dem Sonnenschutzspezialisten Woundwo, der in der Steiermark 330 Personen beschäftigt, vernimmt man ähnliche Töne. „Wir werden uns einem konstruktiven und inhaltlich sinnvollen Gespräch nicht verwehren – auch nicht mit einem Politiker vor einer Wahl“, sagt Mathias Varga, bei Woundwo für die internationale Vertriebsleitung zuständig. Entscheidend sei „die Zielsetzung des Besuchs“. Diese wiederum lasse sich „durch eine sorgfältige Planung sehr genau vorbereiten“. 

Matthias Varga (Woundwo)
Matthias Varga (Woundwo) © Woundwo

Betont offensive Formulierungen vernimmt man dieser Tage von Patrick Herzig, Chef des Ilzer 3D-Druck-Spezialisten M&H: „Als innovativer Kleinbetrieb sehen wir in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern stets Möglichkeiten, um auf wirtschaftspolitisch wichtige Maßnahmen aufmerksam zu machen“, sagt Herzig – „unabhängig davon, ob wir drei Monate vor einer Wahl oder sechs Monate danach stehen“. Ob er die Gefahr einer Instrumentalisierung sehe? Herzig: „Wir wirken dadurch entgegen, dass wir die Pressearbeit professionell vorbereiten und selbst verantworten.“

M&H-Chef Patrick Herzig
M&H-Chef Patrick Herzig © M&H

Freilich: Eine einheitliche Sprachregelung findet sich auch in der diversen Landschaft der steirischen Kleinbetriebe nicht. „Wir lehnen den Besuch von Politikern in diesem Jahr ab“, heißt es etwa von Sabine Dettenweitz, Finanzchefin des Komponentenherstellers Heldeco. Grund für die Einrichtung der Sperrzone: „Mit Ausnahme unserer Regionalpolitiker hören wir von den meisten politischen Entscheidungsträger jahrelang nichts“, erzählt Dettenweitz. Das würde sich aber „oft – wenig überraschend – kurz vor Wahlen ändern“. Wo dann „das Interesse an regionalen Leitbetrieben plötzlich ins Unermessliche steigt“.

Sabine Dettenweitz (Heldeco)
Sabine Dettenweitz (Heldeco) © Sissi Furgler