Am Vorabend der Weltpremiere traf ein gut gelaunter Porsche- und Volkswagenkonzernlenker Oliver Blume in Singapur ein. Die Spannung, längst abgefallen. Der Macan ist da, ein Sinnbild des Wandels und der Bemühungen von Porsche aus dem Verbrennerzeitalter in eine neue Ära der Elektromobilität zu beschleunigen.

Ungewissheit und Gewissheit

Mit allen Ungewissheiten, von der Infrastruktur bis zur Akzeptanz. Aber auch mit einer Gewissheit, dass die E-Mobilität in den kommenden Jahren das bestimmende Element in der Mobilität sein wird, weil die EU diesen Weg vorgegeben hat. Wer abweicht und höhere CO₂-Emissionen verbucht, auf den warten millionen- und milliardenschwere Strafzahlungen. Blume hat schon früh erkannt und das Projekt Taycan trotz aller Benzinbrüder-Skepsis durchgezogen.

Und jetzt: der lang erwartete Macan.

Das neue Hirn des Autos

Für Blume besitzt der Macan eine tiefere Bedeutung. Nicht nur, dass es ein Bestseller ist. Das Modell weist eine jahrelange Verspätung auf und entstammt einer nicht dissonanzfreien Zusammenarbeit mit Audi in Sachen Software und Fahrzeug-Architektur. Am Ende musste Audi-Konzernchef Duesmann auch deshalb gehen, weil das Pendant Q6 und der Macan viel früher als 2024 auf der Straße hätten sein sollen.

Die Software, das Hirn des Autos, konnte sich lange nicht mit den Besten der Branche messen, deshalb die Verzögerung.

Der elektrische Porsche Macan feiert seine Weltpremiere
Der elektrische Porsche Macan feiert seine Weltpremiere © Didi Hubmann

Das kann die neue Software

Aber jetzt ist alles anders, nur zwei Beispiele, wie die neue Software-Architektur den elektrischen Macan besser macht. Der Sprachassistent kann komplexe Routen-/Ladeanfragen in Sekundenschnelle beantworten und fertig planen – bei klassischen Software-Konstruktionen dauert das wesentlich länger.

Und bei sicherheitsrelevanten Situationen sind die Sicherheits- und Assistenzsysteme in der Lage, differenzierter zu reagieren, weil die Aufnahmefähigkeit der Daten aus der Umgebung um ein Vielfaches gestiegen ist.

Daraus lassen sich noch rascher bessere Entscheidungen treffen, auch, weil die Algorithmen schon vorab gefährliche Situationen hochrechnen, und damit erkennen und letztlich differenzierter reagieren können.

Was man wissen muss

Aber was sind jetzt die wichtigsten Eckdaten? Die Weltpremiere feiern Macan 4 und Macan Turbo, also Topmodelle. Die PSM-Antriebe reichen bis zu 470 kW (639 PS) und 1130 Nm Drehmoment, was einen süßen Wahnsinn darstellt.

Und nicht nur, dass man eine große 100 kWh-Batterie verbaut: Mit Änderungen in der Zellchemie und in der Software reicht das jetzt für bis zu 613 Kilometer elektrischer Fahrt (593 km Turbo-Version). Das neue Betriebssystem arbeitet außerdem mit Augmented-Reality-Technologie (Wegweiser, Hinweise etc. werden ins Sichtfeld eingespielt). Und geladen kann bis 270 kW werden.

Damit ist man auf der Höhe der Zeit.

Die nackten Zahlen, die sich hinter dem Projekt verstecken: An Vorder- und Hinterachse arbeiten ausschließlich permanenterregte Elektromotoren samt hohem Wirkungsgrad, der Macan 4 kommt auf bis zu 300 kW (408 PS) Overboost-Leistung, der Macan Turbo auf bis zu 470 kW (639 PS). Das maximale Drehmoment liegt bei 650 beziehungsweise 1130 Nm, der Macan 4 beschleunigt in 5,2 Sekunden auf 100 km/h, der Macan Turbo benötigt 3,3 Sekunden.

Selbstverständlich kommt mit der neuen Plattform Electric die 800-Volt-Architektur (Schnellladesäule unter Ausnützung der maximalen Ladegeschwindigkeit innerhalb von circa 21 Minuten von zehn auf 80 Prozent). An haushaltsüblichen Wallboxen ist AC-Laden mit bis zu 11 kW möglich, da wird Porsche sicherlich auf 22 kW nachlegen müssen. Rekuperiert kann bis 240 kW werden.

Das erste Mal für den Chefdesigner

Chefdesigner Michael Mauer, seit 20 Jahren für die Linienführung von Porsche verantwortlich, betont, wie herausfordernd es gewesen sei, einen Verbrenner zum E-Auto zu designen. Es war das erste Mal, dass man diesen Weg gegangen sei. Und dabei auch den Porsche-Charakter zu behalten. „Die Erfüllung sämtlicher Wünsche aller würde zu einem charakterlosen Produkt führen“, sagt er. Auffallend: Die flach ansteigende Fronthaube, die steiler stehende Windschutzscheibe, alles dem Luftwiderstandsbeiwert untergeordnet.

Bewusst kein Tablet

Und bewusst hat man sich auch gegen Tablets im Interieur entschieden: Es sei freilich diskutiert worden. Aber es passe einfach nicht in einen Porsche, der einfach fahrergetrieben sei. Das Feld überlässt man bewusst anderen. Die Displays sind integriert, nicht angeflanscht.

Die Aerodynamik war ein Schwerpunkt des gesamten Projekts, weil sie immer noch eine Schwachstelle für die E-Autos darstellt. Steht das Auto zu bockig im Wind, erhöht sich der Verbrauch. Jetzt gibt es aktive (veränderbar während der Fahrt) und passive Elemente im Design, die den Luftwiderstandsbeiwert auf 0,25 drücken. Vor allem das runde Heck sei in diesem Zusammenhang eine große Aufgabe gewesen.

Es werde Licht

Die neuen Abmessungen? 4784 Millimeter lang, 1938 Millimeter breit und 1622 Millimeter hoch ist der neue Macan, mit bis zu 22 Zoll großen Rädern, der Radstand wuchs im Vergleich zum Vorgänger um 86 Millimeter.

Die Frontscheinwerfer sind zweigeteilt: Die flache obere Lichteinheit mit Vier-Punkt-Tagfahrlicht ist in die Kotflügel eingebettet und baut eine Brücke zum Taycan. Das Hauptscheinwerfer-Modul mit optionaler Matrix-LED-Technologie ist etwas tiefer im Bugteil positioniert.

Fahrer und Beifahrer tiefer gelegt

Beim Platzangebot hat sich natürlich auch etwas getan. Bis zu 540 Liter (Cargostellung) Kofferraumvolumen, ein zweites Ladeabteil unter der Fronthaube, mit 84 Litern und legt man die Rücksitzlehne komplett um, steigt das hintere Laderaumvolumen auf bis zu 1348 Liter. Die maximale Anhängelast liegt bei 2000 Kilogramm.

Fahrer und Beifahrer hat man bis zu 28 Millimeter tiefer gesetzt, was die Fahrerposition stärkt.

Wie ein 87-Zoll-Display

Neu ist freilich auch das Cockpit und das Innenleben mit bis zu drei Bildschirmen, darunter das frei stehende 12,6 Zoll große Kombiinstrument im Curved Design und das 10,9-Zoll-Zentraldisplay. Einen optionalen 10,9 Zoll großen Bildschirm gibt‘s für den Beifahrer, dieser ist vom Fahrer aber nicht einsehbar.

Theoretisch könnte der Beifahrer auch ein Video schauen oder streamen. Das Head-up-Display arbeitet mit Augmented-Reality-Technologie, mit der Hinweise (siehe Software) eingespielt werden. Porsche, trocken: „Das Bild erscheint für den Fahrer in einer Entfernung von zehn Metern und entspricht der Größe eines 87-Zoll-Displays.“

Der schnellste Sprachassistent

Der Sprachassistent „Hey Porsche“ soll schneller beim Reden wie der Macan Turbo von 0 auf 100 sein. Der Sprachassistent kann auch auf Stimmungen eingehen. Wenn man sagt „Mir ist kalt“, wird die Temperatur erhöht.

Für die Fahrer unter uns noch eine Botschaft: Der Macan kommt mit Hinterachslenkung und Zwei-Ventil-Dämpfern sowie Luftfederung und Porsche-Specials (Porsche Torque Vectoring Plus (PTV Plus), eine elektronisch geregelte Quersperre an der Hinterachse, dazu kommt die elektronische Dämpferregelung, Porsche Active Suspension Management (PASM).

Der Verbrenner-Macan bleibt übrigens im Programm, wird in Europa aber nur noch 2024 verkauft.