25 minutes to go. 20 minutes to go. 15 minutes to go.“ Wie in Trance hört Marcel Romor den Sanitäter, der neben ihm im Rettungswagen sitzt und im Fünfminutentakt die verbleibende Zeit bis zum Eintreffen im Krankenhaus von Rijeka verkündet. Der 67-jährige Steirer ist auf einen harten Block gebettet, der bei Wirbelverletzungen zum Einsatz kommt.

Eine Woche war Romor bereits mit dem Motorrad in Kroatien unterwegs. „Der schönste Motorradurlaub meines Lebens“, erzählt er mit einem Lächeln, „ohne fixes Tagesziel, einfach losfahren.“ An diesem sonnigen Septembertag bricht der Alleinreisende früh auf, immer weiter geht es die Jadranska Magistrala, die gewundene Küstenstraße, entlang. Sein Ziel: das Küstenstädtchen Malinska auf der Insel Krk. 150 Kilometer fährt er im Konvoi mit einem anderen Österreicher, der denselben Rhythmus hat, irgendwann aber zurückbleibt.

„Und dann war da diese Kurve, die einzige von Dubrovnik herauf, die plötzlich voll zugemacht hat. Ich bin in der vollen Lage gelegen und der Asphalt war weich und schmierig, da war überhaupt kein Grip. Und die graue Leitplanke mit dem gelben Strich ist immer näher gekommen“, holt der Steirer die Sekunden vor dem Unfall aus seiner Erinnerung hervor. „Und dann: Filmriss.“ Als er wieder zu Bewusstsein kommt, kniet ein Mann neben ihm. Es ist der Motorradfahrer, mit dem er zuvor im Konvoi gefahren war. „Hallo, ich bin der Anthony, und ich bin in Österreich Unfallersthelfer“, stellt er sich vor. Ganz ruhig, erinnert sich Romor, verrichtet der Ersthelfer die notwendigen Handgriffe, beruhigt ihn, tastet ihn ab. „Spürst du das? Und das?“, fragt er den am Boden Liegenden. „Ich hab zu ihm gesagt: Was meinst du? Fang doch einmal an!“, erinnert sich Romor. „Und wie er mich daraufhin so angeschaut hat, habe ich gewusst …“ Romor stockt und lässt den Satz unbeendet.

Erst im Spital von Rijeka weicht der Schock, Angst macht sich breit: „Ich habe mich selbst von oben gesehen. Wie mit einer Kamera aus dem ersten Stock habe ich gesehen, wie sie mir mein Gewand heruntergeschnitten haben.“ Romor hält inne und seine Stimme wird leiser: „Ich habe Panik gehabt, dass jetzt die ganze Kraft aufgebraucht ist, dass ich jetzt sterbe.“ Die Bestandsaufnahme: Trümmerbruch des Schulterblatts, Schlüsselbeinbruch, Rippenbrüche, Wirbelverletzungen. Regelrecht explodiert sei der siebente Brustwirbel.

Nach einer Woche erfolgt die Überstellung durch den ÖAMTC ins LKH Graz. Dort gibt man sich zufrieden mit der Arbeit der Kollegen in Kroatien – bis auf eine Schraube, eine von acht in dem System, das Herrn Romors Wirbelsäule fixiert. Diese Schraube ist schrägt angesetzt und steht im Verdacht, dass sie bei einer heftigeren Bewegung die Aorta verletzen könnte. Ein Risiko, das von der Reha-Klinik Tobelbad, Marcel Romors nächstem Stützpunkt nach seinem fast fünfmonatigen Aufenthalt in der Albert-Schweitzer-Klinik, genau im Auge behalten wird.

Marcel Romor freut sich auf die Reha – als Wegweiser in eine neue Zukunft und notwendig, um seinen künftigen Alltag zu Hause meistern zu können. Ein Zuhause, an das noch ordentlich Hand angelegt werden muss, damit der Steirer möglichst selbstständig leben kann. Das Badezimmer muss barrierefrei umgebaut und mit einem speziellen Duschrollstuhl ausgestattet, eine Außentür barrierefrei gestaltet werden. Kosten, die für den Pensionisten ohne Hilfe nicht zu stemmen sind. Wir möchten Herrn Romor unterstützen, damit er seine Blickrichtung beibehalten kann: „Ich schaue nach vorne, nicht zurück. In Rijeka habe ich jeden Tag geweint. Heute denke ich ganz anders. Ich bin halt ein optimistischer Realist.“