Herr Schmidt! Dass ein erfolgreicher Trainer eine Karriere als Profifußballer hingelegt haben muss, ist mittlerweile kein Kriterium mehr. Auch Sie haben es geschafft, sich als Bundesligatrainer zu etablieren, ohne zuvor auf diesem Niveau gespielt zu haben. Wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Als Nachwuchsspieler war ich relativ begabt, ich habe auch in diversen Nachwuchsauswahlen gespielt, zum Profi hat es aber nicht gereicht. Die Begeisterung für den Sport hat schon immer in mir gelodert. Im Jahr 1997, da war ich 30, habe ich beim Kapfenberger Nachwuchsmodell angefangen. Zuvor hatte ich Ausbildungen gemacht, Sportwissenschaften studiert und auch das Leben genossen.

Sie waren aber nicht nur in Österreich aktiv, sondern mit Josef Hickersberger auch in Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Welche Eindrücke sind bei Ihnen hängen geblieben?
Das war ein Eintauchen in eine andere Welt. Sich dort zurechtzufinden und beruflich erfolgreich zu sein, ist spannend. In erster Linie waren es die menschlichen Eindrücke, die hängen geblieben sind. Alleine der Umgang mit den Arabern, die eine andere Lebens- und Glaubenseinstellung haben. Ich war in Bahrain tätig, als dort der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Als ich 2011 nach Österreich zurückgekehrt bin, hat gerade der Krieg in Syrien begonnen. Man entwickelt schon ein Gefühl dafür, was dort passiert.

Und Ihr sportliches Resümee?
Wir waren erfolgreich unterwegs, haben in der asiatischen Champions League oder der Klub-WM gespielt. Das sind Erfolge, die nicht so einfach von den Bäumen fallen. Ich habe Länder wie Usbekistan und Kuwait bereist, da kommst du sonst nicht so einfach hin. Diese Lebenserfahrungen möchte ich nicht missen.

Den ersten Posten als Cheftrainer haben Sie dann lediglich 16 Kilometer entfernt von Aflenz übernommen, nämlich im Kapfenberger Franz-Fekete-Stadion.
Ich wollte nach den zwei Jahren im arabischen Raum unbedingt heim, weil ich meine Familie vermisst habe. Dann hat sich 2011 die Möglichkeit aufgetan, die Teamsportakademie zu leiten. Als ich im November 2012 schließlich die Kampfmannschaft übernommen habe, hat der KSV weit hinter den Erwartungen agiert.

Mit dem KSV waren Sie im Frühjahr 2013 sensationell unterwegs, blieben 13 Spiele in Folge ungeschlagen. Sie prägten den Ausspruch vom „Rock ‘n’ Roll im Fekete-Stadion“. Wie halten Sie es musikalisch?
Mit Rock ’n’ Roll, ganz klar! Das ist mein Lebenselixier, so versuche ich, meinen Job zu machen. Ich will die Spannung hochhalten und eine gewisse Dynamik vorleben. Mit Sonaten und langsamen Melodien wirst du im Profifußball nichts erreichen.

Das Wort Wertschätzung taucht in Ihren Interviews immer wieder auf, etwa in den Emiraten oder zuletzt am Ende Ihres Engagements in Altach. Kommen derartige Werte im Fußballgeschäft zu kurz? Ist der Profifußball zu schnelllebig?
Definitiv, weil man kaum noch Möglichkeiten hat, eine Durststrecke durchzutauchen. Wir haben es im Profifußball mit Menschen zu tun, das kommt aber vielleicht zu kurz, weil in dem Produkt Fußball diese Komponenten in den Hintergrund treten. Es geht um Geld, Ablösesummen und Gerüchte. Ich arbeite meistens weit weg von daheim, sehe meine Mannschaften häufiger als meine Freunde und meine Familie, da muss ich dort natürlich gerne hingehen. Das gilt auch für die Spieler, deshalb muss man eine positive Stimmung erzeugen, indem man sie wertschätzt.

Wie schafft man als zweifacher Familienvater den Spagat zwischen Altach und Aflenz?
Wenn man in diesem Job tätig sein will, muss man solche Distanzen auf sich nehmen. Meine Familie weiß damit mittlerweile sehr gut umzugehen. Wir wissen, wie wir es schaffen, dass alle einen Platz haben. Da steigt die Familie dann ins Auto und fährt nach St. Pölten oder Wien, um „Hallo“ zu sagen.

Was macht die Region – und vor allem Aflenz – für Sie lebenswert? Wie verbringen Sie hier Ihre Freizeit?
Ich habe die ersten 30 Jahre in Graz verbracht, wollte aber immer aufs Land. Gemeinsam mit Michael Schrittwieser (Basketball-Funktionär, Anm.) und unseren Frauen habe ich hier ein Haus gebaut. Das war eine sehr große Umstellung. Wir haben es aber keinen Tag bereut. Ich bin gerne in den Bergen, zum Beispiel auf der Bürgeralm oder am Weg in Richtung Mitteralm. Das sind meine Kraftquellen.

Das Trainergeschäft im Profifußball ist ein schnelllebiges. Seit Ihrem Abschied aus Altach im Juni warten Sie auf ein Engagement. Bereits im Herbst werden die ersten Vereine wieder nach Trainern suchen. Wie nutzt man diese Zeit?
Man ist selber ein Teil dieses Trainerkarussells. Ich versuche deshalb nicht, die Situation so zu sehen, dass jetzt hoffentlich bald einer seinen Job verliert – denn das könnte ja ich sein. Mir wäre es am liebsten, wenn jemand sich verbessert und ich sein Nachfolger werde. Wenn sich innerhalb der nächsten zwei Monate nichts ergibt, möchte ich zu Adi Hütter nach Frankfurt fahren oder Markus Hoffmann bei Union Berlin besuchen. Wenn du in der Kabine stehst und mittendrin bist, wirst du wieder scharf auf den Job.

Sie gelten als sehr emotionaler Trainer. Gelingt es Ihnen da überhaupt, ein Spiel vor dem Fernseher oder im Stadion zu verfolgen?
Ich habe während der WM versucht, jedes Spiel zu sehen. Das hat privat nicht jeder verstanden, ist aber ein Teil meines Jobs. Ich versuche, gewisse Dinge aufzusaugen und zu analysieren. Auch wenn ich gewisse Favoriten habe, bin ich aber nicht emotional, weil ich es eh nicht beeinflussen kann.

Helmut Kraft, einst Ihr Cheftrainer bei Wr. Neustadt, hat mittlerweile seine Trainerkarriere beendet und ist nun als Lehrer tätig. Können Sie sich eine berufliche Laufbahn außerhalb des Fußballs vorstellen?
Die Jobs wachsen nicht auf den Bäumen, man muss sie deshalb wertschätzen und versuchen, dranzubleiben. Ich glaube auch, dass ich noch die Möglichkeit bekomme, in diesem Geschäft drinnenzubleiben. Es muss aber auch immer einen Plan B geben.