Ein eisiger Wind weht durch die Schlucht rund um die Tunnelanlage „Totes Weib“ zwischen Frein und Mürzsteg. Immer wieder gesellt sich Schneeregen dazu und überzieht die Arbeitsgeräte mit einer dünnen weißen Schicht. Es sind widrigste Bedingungen, mit denen die Arbeiter bei den Räumungsarbeiten auf der B23, der Lahnsattelstraße, konfrontiert sind. Starke Stürme, entwurzelte Bäume und Felsstürze führten am 1. April zur Totalsperre – sowohl für Fahrzeuge als auch für Fußgänger.

Vom Hang geht weiterhin Lebensgefahr aus, jederzeit ist mit einem weiteren Felssturz zu rechnen. Trotzdem hängen mehrere Spezialarbeiter angeseilt am steilen Felsen und entfernen händisch lose Steinbrocken und Holzteile. Akribisch arbeiten sie den Hang von oben nach unten ab, der Bereich unter ihnen auf der Straße gleicht einem Schlachtfeld. Unzählige Felsbrocken und Äste liegen verteilt auf dem Asphalt. Eine Durchfahrt mit dem Auto scheint bei diesem Anblick unmöglich, schon der Weg zu Fuß ist mehr als tückisch.

Lokalaugenschein nach dem Felssturz auf die B23

Für die Männer an den Seilen ist die Arbeit mental und körperlich herausfordernd, noch dazu sorgt der aktuelle Wetterumschwung für Probleme: „Das ist Schwerstarbeit, diejenigen, die da oben hängen, sind wahre Helden. Am Hang ist es momentan wie auf einem Eislaufplatz“, erklärt Projektleiter und Landesgeologe Marc-André Rapp. Die Niederschläge der letzten Tage machen die Räumung deutlich schwieriger und dürften das Ende der rund zwei Kilometer langen Totalsperre weiter hinauszögern.

Marc-André Rapp, Landesgeologe und Projektleiter
Marc-André Rapp, Landesgeologe und Projektleiter © KLZ / Moritz Prettenhofer

Querungsversuche trotz Sperre „Da fahr ich lieber eineinhalb Stunden herum“

Gearbeitet wird momentan an drei Stellen gleichzeitig: Auf Mürzsteger Seite ist man bereits mit ersten Sicherungsmaßnahmen beschäftigt, auch nach der Tunnelanlage werden bereits Anker für die Hangsicherung befestigt. Dazwischen, wo der Hang gerade von Geröll und Holzresten befreit wird, soll Mitte nächster Woche mit der Sicherung begonnen werden.

Die Lage der Schutzbauten richtet sich dabei am Lichtraumprofil der Straße, wie Rapp erklärt. „Das Netz dehnt sich nach unten, wenn ein Stein hineinfällt. Es braucht daher eine entsprechende Höhe, damit niemand darunter verletzt wird“, so der Landesgeologe, der die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Firmen und Abteilungen hervorhebt.

Ein besonderes Lob spricht Rapp zudem für die Streckenposten, die auf beiden Seiten der Sperre stationiert sind, aus: „Es ist keine lustige Arbeit, aber eine wichtige.“ Gebraucht werden sie, da es trotz mehrerer Warnungen und der bestehenden Lebensgefahr Versuche gibt, die Sperre zu umgehen. „Es gibt immer wieder Leute, die probieren durchzukommen“, berichtet Dominic Konrad von der Baubezirksleitung Obersteiermark-Ost. Er erzählt von Fußgängern und Radradfahrern, die versucht hätten, das betroffene Gelände zu queren. Sogar Bestechungsversuche soll es gegeben haben.

Dominic Konrad (links) mit Projektleiter Marc-André Rapp
Dominic Konrad (links) mit Projektleiter Marc-André Rapp © KLZ / Moritz Prettenhofer

Für diese Leute hat Rapp klare Worte: „Da fahr’ ich lieber eineinhalb Stunden herum, als dass ich da durchgehe.“ Selbst er, als erfahreren Geologe und Projektleiter, würde das vom Steinschlag betroffene Gelände nur ungern betreten: „Wenn da ein Felsen herunterkommt, hilft dir auch der Helm nichts.“

Herausforderung für abgeschnittenen Ortsteil

„Wir Einheimischen haben uns mit der Sperre abgefunden“, meint Elisabeth Bareck vom Gasthaus Freinerhof. Trotzdem stellt diese eine Herausforderung für den abgeschnittenen Neuberger Ortsteil dar: Die beiden Kinder der Gastwirtin müssen aufgrund der Sperre zweimal pro Woche nach Neuberg in die Schule gebracht werden, „da geht am Ende ein ganzer Tag dafür drauf“, seufzt Bareck.

Elisabeth Bareck vom Gasthaus Freinerhof
Elisabeth Bareck vom Gasthaus Freinerhof © KLZ / Moritz Prettenhofer

Eine zwischenzeitliche Unterbringung in Mariazell sei wegen der unterschiedlichen Lehrpläne nicht möglich, auch der Bus dorthin sei ohne Erklärung eingestellt worden. In anderen Bereichen gäbe es ebenfalls Probleme: derzeit komme keine Altenbetreuung nach Frein. Auch die Müllabfuhr habe sich in den ersten 14 Tagen nicht blicken lassen. „Es wird jetzt besser, aber man muss die Gemeinde wirklich auf ihre Aufgaben aufmerksam machen“, so Bareck. Für die Dauer der Sperre gelte es zusammenzuhalten und ältere Personen zu unterstützen: „Vor einigen Tagen ist das ganze Dorf in vier Autos zum Einkaufen nach Mariazell gefahren.“