Die wenigen Menschen, die diese Aktion im Morgengrauen des Samstags mitbekommen haben, werden wohl zunächst ihren Augen nicht getraut haben: Um 6 Uhr morgens, zur blauen Stunde, brach ein Mann bei der Augartenbrücke auf einem offenbar selbst gebastelten Floß auf und fuhr bis zur Anlegestelle des Kanuklubs in der Angergasse. Unterwegs war er allein, am Floß hatte er ein Feuer, auf dem er einen Fisch grillte.

Hinter dem ungewöhnlichen Anblick steckt eine Guerillaaktion des Künstlers ILA, der das Floß auch selbst entworfen und gebaut hatte. Und er liefert gemeinsam mit Kurator Michael Petrowitsch auch den Kontext zur Aktion mit: Bei der vordergründig mystischen Auseinandersetzung gehe es um den Umgang mit öffentlichem Raum als Teil der eigenen Privatheit – "um real- und stadtpolitische Fragen nach Lebensraum, Identität und Erneuerung, die in Graz im Sinne der Erfahrbarkeit der Mur als neuen Lebensraum und als neue Lebenswelt Einzug hält".

Die Erfahrungen der nur einmal stattfindenden Kunstaktion, die übrigens weniger als eine Stunde lang gedauert hat, sehen sie als Weiterentwicklung von Projekten der Kulturhauptstadt 2003 und des Kulturjahres 2020 – und zu Fragestellungen wie: Welche Möglichkeiten ergeben sich für das urbane Leben in Zukunft? Und vor allem: Wie lassen sich die Erneuerungen mit (und ohne) theoretischen Überbau in der Praxis, wie hier in dieser Guerillaaktion, verwirklichen?

Die Aktion ist außerdem Teil des Gesamtprojekts "Amicitia" (lateinisch Freundschaft). Dafür setzt man sich auf Basis der Beziehungen zu den Nachbarregionen Slowenien und Oberitalien mit der Frage auseinander, was Freundschaft im Sinne von Austausch, im Sinne von Vertiefung und Entfremdung heiße. Weitere Positionen in Maribor von Stefan Lozar und Triest von Transparadiso sind dazu derzeit im Entstehen. Im Spätherbst folgen eine Publikation und Präsentation der drei Arbeiten.