Sie sind unterwegs, wenn andere schlafen. Nachts klettern sie unerlaubt auf Kräne, Baustellen und Dächer, um die Stadt von oben zu entdecken, oder sie erkunden die Tunnelsysteme unter der Stadt. Dokumentiert wird all das fotografisch. Die Rede ist von sogenannten Urban Explorern, die mit ihrem Hobby enorme Risiken eingehen. Einer davon ist ein Grazer Fotograf mit dem Künstlernamen "Night_Vi5ion". Er möchte anonym bleiben - aus gutem Grund: Sein Hobby ist illegal, gilt als rechtliche Grauzone.

Grazer Urban Explorer: 2016 den ersten Kran bestiegen

Auf den Geschmack gekommen ist der Grazer durch einen Fernsehbeitrag über einen Urban Explorer aus New York, mit dem er später selbst einmal unterwegs sein sollte. Seinen ersten Kran hat "Night_Vi5ion" jedenfalls 2016 bestiegen. "Ich war mir zu der Zeit nicht sicher, ob ich Höhenangst habe oder nicht – aber er war sehr niedrig, vielleicht 20 oder 25 Meter hoch", sagt er rückblickend.

Respekt habe er nur bei Hausdächern oder Wolkenkratzern, so der Steirer, der sich in seinen Zwanzigern befindet. Überall da hingegen, wo er sich festhalten könne, fühle er sich sicher.

Riskantes Hobby: "Plötzlich kamen drei Züge gleichzeitig"

Dass er sich bei seinen nächtlichen Erkundungen verletzen könnte und sein Leben immer wieder aufs Spiel setzt, weiß Night_Vi5ion. Sorgen mache er sich trotzdem nicht, sagt er. Bei einem Ausflug in den New Yorker Untergrund sei es einmal allerdings extrem gefährlich geworden. "Da ist ein Freund fast gestorben", erinnert der Fotograf sich zurück. "Es war eine verlassene Station und wir wollten zum anderen Bahnsteig hinüber. Als drei Züge gleichzeitig aus dem Nichts kamen, ist er in Panik zwischen den Gleisen gestolpert und hat mit seinem Stativ die elektrifizierte Stromschiene nur um Zentimeter verfehlt, seine Beine waren komplett offen." Letzten Endes hätten sie ein Riesenglück gehabt. Dessen sei er sich bewusst, so der Steirer.

Seine Leidenschaft hat "Night_Vi5ion" mittlerweile zu den unterschiedlichsten Orten geführt. Fotografiert hat er in Graz und Wien, aber auch in Metropolen wie Berlin, Paris, New York und Philadelphia. Wie er sich zu den geheimen Plätzen Zutritt verschafft, darüber schweigt er. Mit der Zeit sei man so routiniert, dass man wisse, was man tue. Was er meint: Wie man Systeme überlistet, um zu den verbotenen Plätzen zu kommen. 

Erwischt wurde der Grazer im Übrigen noch nie, das könne er "mit Stolz" sagen. Viele andere Urban Explorer seien mit Geldstrafen oder auch mit der Polizei konfrontiert gewesen.

Grazer Fotograf: Noch viele "Urbex"-Pläne

Auf seinem Instagram-Account hat der junge Mann jahrelang Fotos seiner illegalen, meist nächtlichen Erkundungen hochgeladen. Neue Postings sucht man mittlerweile vergebens. Seit Instagram den Fokus statt auf Fotos auf Videos gelegt hat und die Algorithmen kontinuierlichen Änderungen unterliegen, sei es auf der Plattform schwieriger geworden, sich zu positionieren. Aus dem Grund würden viele Urban Explorer aufhören.

Auch der Grazer hat sich in den letzten Jahren in Sachen Urban Exploring zurückgezogen – unter anderem, weil sich seine Lebensumstände geändert haben. Neben Studium, Job und Beziehung bleibt wenig Zeit. Auch sei er jetzt nicht mehr so "hardcore", im Winter bei Minusgrad auf Kräne zu klettern, sagt der Grazer lachend. Stattdessen fokussiere er sich mehr auf die Sommermonate. Er sagt: "Ich würde gerne wieder mehr posten, hier und da mal ein Reel einbauen."

In Österreich gebe es immerhin noch viel zu erkunden, auch eine Ausstellung oder ein Buch könne er sich gut vorstellen. Aktuell plant der junge Mann seine nächste "Urbex"-Reise. Die Leidenschaft des urbanen Erkundens hat "Night_Vi5ion" jedenfalls noch längst nicht losgelassen. Die damit einhergehenden Risiken nimmt er offenbar in Kauf.