Während Sie am Sonntag in Wien Kindern eine Geschichte vorgelesen haben, haben draußen 100 Menschen lautstark protestiert – und ein Vielfaches davon solidarisierte sich. Wie ging es Ihnen selbst inmitten dieses Trubels?
Freya van Kant: Wir waren alle fassungslos. Der Gegenwind gegen queere Themen wird seit eineinhalb Jahren stärker, aus Russland und Ungarn, aber auch den USA – nun hat die FPÖ das Narrativ übernommen und zum großen Schlag ausgeholt, aber auch die ÖVP hat sich an der Hetze beteiligt, dazu kamen die Identitären und Christliche Fundamentalisten. Auch wenn es Gewaltandrohungen gegen mich gab, ist es dabei aber trotzdem natürlich nicht direkt um meine Person oder meine Kunst gegangen.

Trotzdem: Was hilft Ihnen dabei, so etwas auszuhalten?
Eine Drag Persona ist immer ein Schutzschild, so auch für mich. Wichtig war aber vor allem, dass die Community so eng zusammenhält, die Vorarbeiten für diese Veranstaltungen waren ein Kraftakt. Und danach mündete die Gegendemo in eine große Party – davon bin ich jetzt noch ganz beseelt.

Wie laufen solche Kinder-Veranstaltungen eigentlich ab?
Die "Drag Queen Story Hour" haben wir zum dritten Mal gemacht. Wir lesen vor, aber es ist auch eine Art Kinder-Mutmach-Theater. Die ausgewählten Geschichten handeln immer auch von Diversität und Gleichheit – Geschichten, von denen ich mir sehr gewünscht hätte, dass ich sie als Kind schon lesen hätte können.

Kritisiert wird von den Gegnern ja eine angebliche "Frühsexualisierung von Kleinkindern" – können Sie das nachvollziehen?
Wenn ich so etwas höre, muss ich im ersten Moment lachen, im zweiten bin ich schockiert. Ich habe selbst pädagogischen Hintergrund – und mit Sex haben diese Geschichten nicht im Geringsten zu tun.

Auch an einer Schule in der Oststeiermark gab es zuletzt heftige Proteste gegen den Auftritt einer Drag Queen. Wie erklären Sie sich diesen heftigen Gegenwind? 
Wir sind reine Projektionsflächen, um Fakten geht es überhaupt nicht. An Gesprächen mit uns besteht gar kein Interesse – stattdessen gibt es eine klare politische Agenda, nicht nur gegen Drag*, sondern auch gegen Trans*. Immer wieder steht der Vorwurf im Raum, es gäbe einen Trans-Hype – der eigentliche Hype ist aber Trans-Hass.

Was können Kinder denn von einer Dragqueen lernen?
Wir werden immer wieder gefragt, warum wir die Lesungen in Drag machen: Warum nicht? Kinder können von uns viel zu Themen wie Diversität lernen. Viele von uns sind selbst durch ein tiefes Tal der Düsternis gegangen – das macht uns glaubwürdig. Und, nicht zuletzt: Wir Dragqueens und Kings sind natürlich tolle Entertainerinnen und Entertainer!

Wie reagieren die Kinder auf Sie und andere Dragqueens?
Sie sind natürlich unser härtestes Publikum – Kinder lassen einen sofort spüren, wenn es langweilig wird. Aber das war am Sonntag nicht der Fall: Ich habe die ganze Zeit über in glitzernde Kinderaugen geblickt.

Was verraten Sie uns über Freya van Kant?
Sie ist eine in Graz ansässige Dragqueen, eine coole Tante, die Leben in jede Party bringt. Die Person dahinter bleibt nach den Anfeindungen lieber im Hintergrund.

Die RosaLila PantherInnen eröffnen heute in Graz das erste queere Community Center Österreichs. Wie wichtig ist eine solche Einrichtung?
Ohne RosaLila PantherInnen und den Tuntenball gäbe es mich gar nicht: Ich habe mich 2020 für das Drag Race angemeldet, um das einmal auszuprobieren – und wurde sofort Miss Tuntenball. Solche Orte und solche Communitys sind also auch ganz wichtig, damit etwas entstehen kann.