„Die jungen Leute gehören einfach gescheit erzogen und die Frauen sollen halt nicht mit jedem gleich ins Bett steigen! Wenn sie das so wie damals machen würden, erst nach dem Heiraten, dann wäre das kein Problem“, sagt eine ältere Dame laut. Gerichtet sind die Worte an Anna Majcan, Geschäftsführerin des Grazer Frauenrates. Sie steht gemeinsam mit Vertreterinnen des Frauengesundheitszentrums Graz und „Pro Choice Austria“ an einem von ihnen organisierten Infotisch in der Herrengasse. Sie wollen über ihre Forderungen an die Politik in Sachen Fristenlösung zu sprechen. Diese wurde am 29. November 2023 nämlich 50 Jahre alt.

„Wir haben nicht mehr 1973“

Denn für die Frauen am Infotisch ist klar, es soll sich etwas ändern. „Es ist 2023, wir haben nicht mehr 1973. Es ist höchste Zeit, nächste Schritte in Sachen Schwangerschaftsabbrüche zu fordern und umzusetzen“, so Majcan. Da stimmt auch Anita Adamiczek vom Frauengesundheitszentrum Graz zu. „Wir stehen für reproduktive Gerechtigkeit und die komplette Selbstbestimmung der Frauen.“

Konkret wird gefordert, dass Schwangerschaftsabbrüche als Gesundheitsleistung anerkannt und entkriminalisiert werden. Dass die Paragrafen 96 und 97 also aus dem Strafgesetzbuch gestrichen oder komplett erneuert werden. Außerdem sollen die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche und Verhütung von der öffentlichen Hand übernommen werden. Auch für Nichtversicherte. Alle öffentlichen Krankenhäuser sollen Abbrüche anbieten und ohne Stigma durchführen. Niedergelassenen Praxen sollen auch inkludiert sein.

Schwangerschaftsabbruch in Österreich

Derzeit gilt der Schwangerschaftsabbruch laut §96 im Strafgesetzbuch als verboten und kann mit Geld- oder Freiheitsstrafen bestraft werden. Der Paragraf 97 regelt allerdings Ausnahmen. Unter anderem kann sich die Frau innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate legal für einen Abbruch entscheiden. Dasselbe gilt, wenn „ernste Gefahr für die seelische oder körperliche Gesundheit der Frau besteht“ oder „wenn eine erste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt werde“.

Es gibt zwei Methoden für den Abbruch: Den medikamentösen und den operativen Schwangerschaftsabbruch. Das Verfahren gilt aufgrund der gesundheitlichen Versorgungslage in Österreich als mit wenig Risiko belastet und soll ausschließlich von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden. Bezahlt werden sie privat.

Laut Grazer Frauenrat soll durch eine Entkriminalisierung und Kostenübernahme der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erleichtert werden.

„Pro Life“ oder „Pro Choice”

Auf die Frage hin, ob ihnen auf offener Straße schon jemand widersprochen hätte, erzählen Majcan und Adamiczek von vereinzelten Gegenstimmen. Meist mit dem Argument, dass Frauen viel zu verschwenderisch mit ihren Geschlechtspartnern und darauffolgenden Schwangerschaftsabbrüchen seien. Oder, dass ein Abbruch schlichtweg „Mord“ sei.

„Das ist eine reine Haltungsfrage“, so Adamiczek, „ich kann selbst darüber entscheiden, was ich mit meinem eigenen Körper mache und wenn ich dagegen bin, dann ist das so. Aber ich kann nie sagen, was eine andere Person mit ihrem Körper machen soll und was nicht. Jede Frau soll das Recht darauf haben, selbst zu bestimmen.“ Die meisten Menschen, mit den gesprochen wurde, reagierten aber positiv auf die Aktion. Einige würden jetzt ihre Töchter und Enkelinnen auch darauf aufmerksam machen wollen, so Majcan. Auch wenn das Thema letztendlich bei der Politik liegen würde, sei es allein schon viel wert, wenn sich Menschen des Themas bewusst werden.