Fast drei Stunden muss man derzeit einplanen, will man mit dem Zug von Graz nach Klagenfurt oder umgekehrt fahren. Ein Anachronismus, wenn man berücksichtigt, dass die beiden Landeshauptstädte auf der Luftlinie 98 Kilometer auseinanderliegen. Es geht sogar so weit, dass die Karten-Apps die Zugverbindung gar nicht anzeigen, sondern nur den Bus: Zwei Stunden dauert die Fahrt über die Pack. Bald soll es aber in 45 Minuten gehen.

Wenn Ende 2025 die Koralmbahn eröffnet, können Steirer und Kärntner zu Recht Wolfgang Ambros zitieren: „Langsam wachs ma z’samm.“ Der Zug mit Spitzengeschwindigkeiten von 250 km/h hängt dann auch locker den Pkw ab (rund eineinhalb Stunden Reisezeit) und eröffnet auch wirtschaftliche völlig neue Möglichkeiten. Darüber sind sich alle einig, die Frage ist nur: Wie hebt man im Großraum Graz das Potenzial am besten?

1,1 Millionen Menschen, 50.000 Arbeitgeberbetriebe, 70 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung

Die Wirtschaftskammer fährt seit Sommer eine Kampagne unter dem Titel „Area Süd“, um auf das Potenzial des 5,4-Milliarden-Euro-Projektes hinzuweisen. 1,1 Millionen Menschen leben im Einzugsgebiet rund um die Bahn, 50.000 Arbeitgeberbetriebe sind dort ansässig, beschäftigen 730.000 Menschen, die rund 70 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung erbringen. Für den Großraum Graz beinhaltet das enorme Chancen, ist Bernhard Bauer, WK-Regionalstellenobmann in Graz, überzeugt. „Umso wichtiger ist es, dass die Zeit bis zur Eröffnung genutzt wird, um auch in unseren Regionen entsprechende Begleitprojekte auf Schiene zu bringen.“

Damit beginnt die Stadtpolitik nun. Gestern konnte die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) ihren Amtskollegen Christian Scheider (Team Kärnten) aus Klagenfurt empfangen, stilgemäß am Hauptbahnhof. Die beiden haben ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet, in dem sie das Bekenntnis ablegen, „in Abstimmung an einer Weiterentwicklung der Region zu arbeiten, einen engen Austausch zu pflegen und den Prozess bei regelmäßigen Treffen auf politischer ebene und Verwaltungsebene zu forcieren“.

Die Pendlerströme werden um 35 Prozent wachsen

Klingt noch sehr allgemein, ist es auch. „Dabei sind zwei Jahre nicht viel Zeit“, mahnt Wirtschaftsstadtrat Günter Riegler (ÖVP), der auf einen entsprechenden dringlichen Antrag aus dem Juli verweist, der damals von der Koalition keine Mehrheit bekam. Er war selbst vor Kurzem in Klagenfurt bei seinem Amtskollegen Max Habenicht (ÖVP) zu einem Arbeitstreffen. „Es braucht da einen intensiven, systematischen Prozess, man muss das mit den jeweiligen Stadtverwaltungen durchdenken.“

Die Auswirkungen der Koralmbahn werden massiv sein, nicht nur für die Wirtschaft. Riegler sieht vor allem Handlungsbedarf für Stadt- wie Regionalplanung, Grundstückspreise werden sich ändern, die öffentliche Hand muss Gewerbeflächen reservieren, gerade in Graz. Die Wirtschaftskammer macht den Mangel an Gewerbeflächen schon jetzt als einen aktuellen Schwachpunkt für Graz aus. Und die Pendlerströme werden sich signifikant erhöhen. Die künftige Strecke Graz bis Groß St. Florian vergleicht die Wirtschaftskammer mit einer Wiener U-Bahn-Fahrt von Ottakring nach Simmering. Und die Fahrt Groß St. Florian nach Klagenfurt entspreche der U-Bahn-Fahrt von Seestadt bis Karlsplatz. WK-Obmann Bauer rechnet daher mit einem Pendlerplus von 35 Prozent. Und die Fachleute rechnen allgemein mit einem Bevölkerungswachstum entlang der neuen Bahnstrecke, was das Angebot an Arbeitsplätzen und Arbeitskräften erhöhen wird.

Welche Projekte nach der Koralmbahn anstehen

All das bedeutet, dass der Ausbau der Infrastruktur mit der Koralmbahn nicht abgeschlossen ist, im Gegenteil, wie die Wirtschaftskammer meint: Denn schon jetzt ist auch bei den ÖBB jedem klar, dass das Bestandsnetz Graz–Bruck sowie Graz–Maribor überlastet ist. Richtung Slowenien ist der zweigleisige Ausbau im ÖBB-Rahmenplan festgeschrieben. Auch um die für die Wirtschaft wichtige Bahnachse zum Hafen in Koper zu festigen. Pläne für eine viergleisige Strecke zwischen Bruck und Graz, der Hauptschlagader der Steiermark, finden sich dort aber noch nicht.

Die Wirtschaftskammer drängt auch auf den dreispurigen Ausbau der Autobahn A 9, der politisch aber umstritten ist. Zumindest die Stadtpolitik ist sich einig, dass Graz auf Sicht einen S-Bahn-Tunnel bekommen soll, um die Pendlerströme besser auf den öffentlichen Verkehr zu verlagern. Gespräche mit dem Land laufen diesbezüglich.