Kanischa war gefallen – eine Nachricht, die in Graz Bestürzung auslöste. Und große Hektik.

Wir schreiben das Jahr 1600: Seit 1593 tobte im heutigen Kroatien und Ungarn ein zermürbender Krieg. Historiker des 19. Jahrhunderts bezeichneten die von 1593 bis 1606 dauernden Auseinandersetzungen als „Langen Türkenkrieg“ oder „Dreizehnjährigen Türkenkrieg“. Immer wieder stellten Steirer Truppen, Waffen, Geld und Lebensmittel zur Verfügung, ganz nah ans Kriegsgeschehen rückten unsere Vorfahren aber erst im Jahr 1600 heran. Türkische Truppen belagerten die Festung Nagykanizsa („Kanischa“), das steirische Entsatzheer kam zu spät, um die Festung 50 Kilometer vor der damaligen steirisch-ungarischen Grenze noch zu retten.

Anstatt jetzt schnell ein neues, größeres Heer aufzustellen, löste der Fall von Kanischa vorerst nur „Selbstmitleid“ aus, wie es der Chefhistoriker des Landeszeughauses, Leopold Toifl, bezeichnet. „Die Grazer beschränkten sich zunächst auf die Aussendung von Warnungen vor dem Gegner und auf Hilferufe an andere christliche Länder.“ Doch vorerst ohne Erfolg. Erst im September 1601 stand endlich ein Landesaufgebot der Steirer – verstärkt durch päpstliche und kaiserliche Truppen – vor den Toren Kanischas, bereit zur Rückeroberung der jetzt türkischen Festung.

Hastige Handarbeit

Doch diese Armee sah seltsam aus. Weil nämlich im Grazer Zeughaus zu wenige Rüstungen vorhanden gewesen waren, hatte der Plattner Georg Matitsch in aller Eile neue Harnische angefertigt und bei einigen von diesen „geschlampt“. Ihre Helme beweisen, warum. „Matitsch schnitt die Augenschlitze zu hoch aus, musste sie wieder schließen und darunter neue setzen“, erzählt Toifl. Bis heute hat einer dieser „Kanischaharnische“ die Zeiten im Landeszeughaus Graz überdauert.

Zugegeben, die steirischen Truppen hatten dann aber auch kein Kriegsglück. Nach einem gescheiterten Generalsturm am 28. Oktober 1601 machten Regenfälle den Boden rund um die Burg zum tiefen Morast. Die folgenden Angriffe blieben stecken und während Erzherzog Ferdinand in sicherem Abstand in seinem geheizten Zelt für einen glücklichen Ausgang der Belagerung betete, erlitten die Soldaten vor allem Schussverletzungen oder Verbrennungen durch siedendes Öl oder Wasser, das die Verteidiger verschütteten. Und plötzlich setzte auch noch Eiseskälte ein.

Die Chronisten vermerken eine ganze Reihe von tragischen Schicksalen: Hans Peyerl aus Weiz, Gregor Kornbauer aus Znaim (Znojmo) und Hans Scharffer aus St. Andrä im Lavanttal erlitten Erfrierungen an den Zehen. Kaspar Strellekher mussten genauso wie Georg Steinbock sämtliche Zehen amputiert werden – eine qualvolle Tortur in jener Zeit. Kaum besser erging es Lorenz Henger und Christian Khlößl, die derart schwere Erfrierungen erlitten, dass sie mit „ainer schmerzlichen kranckheit“ monatelang das Bett hüten mussten. Georg Schett aus St. Pölten brach sich beide Hände. Weil ihm ärztliche Kunst versagt blieb, verkrüppelten seine Arme. Unerwartet großzügig zahlte die steirische Landschaft aber zumindest Entschädigungen an die Männer – zwischen 60 und 150 Pfennige. Eine sehr frühe Form der Invalidenfürsorge in der Steiermark.

Letztlich erzwang der Wintereinbruch das Ende der Belagerung. Mitte November 1601 kehrte Ferdinand II. in die Steiermark zurück, worüber ein zeitgenössischer Reim berichtete: Von Graetz Erzherzog Ferdinandt / Bracht ein zimbliche Staerck zur Hand / Kam fuer Canischa / die beschoß / Macht manche Tuercken Lebens loß / Doch must man wegen grosser Kaelt / Abziehen wider auß dem Feldt.

Nagykanizsa blieb bis 1690 in türkischer Hand. Die „Kanischarüstungen“ sind heute noch im Zeughaus zu sehen.