Wie die Diözese Graz-Seckau und die Vinziwerke gegenüber der Kleinen Zeitung am Donnerstagmorgen bestätigten, ist der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher im Urlaub in Kroatien nach einem medizinischen Notfall gestorben. Die Rettungskette sei zwar sofort in Gang gesetzt worden – leider ohne Erfolg. Sein Stern strahlte weit über die steirische Landeshauptstadt hinaus. Pucher verstarb im 85. Lebensjahr am Mittwoch, dem 19. Juli, nahe der Stadt Dubrovnik.

Der Seelsorger war mitten in der zweiten Woche seines dreiwöchigen Urlaubs. Jahr für Jahr zog es ihn nach Dalmatien, wo er Kraft für sein soziales Tun in der Steiermark sammelte. Der Region war Pucher sehr verbunden, schätzte die Landschaft, hat längst Freundschaften geschlossen. Am Meer ging der Steirer auch seinem Hobby nach – der Malerei. Er arbeitete regelmäßig an Aquarellwerken und verstand es, Farben perfekt in Szene zu setzen. Für Pucher war es ein stiller Tod an einem Sehnsuchts- und Kraftort, zu dem er eine langjährige und besondere Beziehung innehatte.

Die Vinzenzgemeinschaft nahm bereits Donnerstagvormittag offiziell Stellung: Die Familie des Verstorbenen, die Pfarre, der Orden und die Vinziwerke seien demnach dabei, das Begräbnis und die Feierlichkeiten zu organisieren. Heute, 20. Juli, findet um 18.30 Uhr ein erstes Beten zu seinem Gedenken in der Pfarrkirche Graz-St. Vinzenz statt.

Im Dauerdienst an den Ärmsten der Gesellschaft

Der Armenpfarrer hinterlässt einen Bruder und dessen Familie. "In dieser schwierigen Zeit gilt ihnen unser Beileid", heißt es in der offiziellen Stellungnahme der Hilfsorganisation, die gleichsam betont, dass alle Einrichtungen weiterhin offen bleiben. Unzählige Mitbrüder bei den Lazaristen, Mitglieder der Pfarrgemeinde, Wegbegleiter sowie haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien in Trauer über einen scheinbar Unermüdlichen, der "sein Leben in die Berufung des Heiligen Vinzenz von Paul und des Seligen Frédéric Ozanam und somit in den Dienst an den Ärmsten in der Gesellschaft gestellt" habe.

Pucher hatte erst im Juni sein 60-jähriges Priesterjubiläum gefeiert, seit 50 Jahren war er in der Pfarre St. Vinzenz tätig. Im letzten Interview mit der Kleinen Zeitung, nur einen Monat vor seinem Tod, bekräftigte der Pfarrer seine lebenslange Mission. Ihm ging es immer "um Mitgefühl für Menschen, die kein Mitgefühl wecken". Dazu habe er zwei Begriffe erfunden: "Das sind die schöne und die hässliche Armut – die schöne Armut, da sagt jeder, oh Gott, das ist so ein armes Kind, da müssen wir helfen. Die hässliche Armut, das sind Menschen, die abstoßend sein können, aber diese Menschen verdienen auch Mitgefühl, und ich möchte dieses Mitgefühl wecken."

Der Geistliche machte keinen Unterschied zwischen den Menschen, sein Pfarrhaus war über die Jahrzehnte Heimat für Hunderte, die Schutz suchten. 1990 gründete er schließlich die Vinzenzgemeinschaft für ganz Österreich. Nach dem Start in Graz-Eggenberg wurden über Jahre exakt 40 Häuser etabliert – 450 Personen finden hier nach wie vor täglich ein Dach über dem Kopf, 1400 Menschen erhalten pro Tag Lebensmittel und warme Mahlzeiten. Die Einrichtungen in der Steiermark, Wien und Salzburg stehen den Betroffenen kurzzeitig in Krisensituationen, aber auch längerfristig zur Verfügung. Letzteres vor allem im Grazer Vinzidorf, das 1993 an den Start ging und zur Heimat für zahlreiche Obdachlose wurde.

Mit den Vinzishops ging das Engagement von Pfarrer Pucher noch ein Stück weiter – Menschen in sozial schwierigen Verhältnissen können hier seit einigen Jahren zu günstigen Preisen einkaufen. Dem Geistlichen gelang dabei das Kunststück, sämtliche Einrichtungen zu 75 Prozent durch private Spenden zu finanzieren, 25 Prozent kommen durch Zuschüsse der öffentlichen Hand zustande.

900 Ehrenamtliche unterstreichen das Wirken des Pfarrers

Den eigentlichen Erfolg machten aber rund 900 Ehrenamtliche aus, die im steirischen Pfarrer auch ein Vorbild fanden. Betreut werden von ihnen primär Drogen- und Alkoholabhängige, wohnungs- und obdachlose Frauen, Männer und Familien, Haftentlassene sowie Bettlerinnen und Bettler oder kurzfristig in Not geratene. Die Vinziwerke beraten die Betroffenen auch – nicht zuletzt mit dem Ziel der Rückkehr in einen geregelten Alltag.

Dass Pucher, der schon mit zehn Jahren Pfarrer werden wollte, keine eigene Familie hatte, war für ihn der Einsamkeit wegen nicht immer einfach: "Wenn man mit 24 Jahren das Gelöbnis ablegt, allein ohne Frau und Kinder zu leben, da hat man noch keine Ahnung, was das bedeutet." Mit 40 Jahren benötigte der Geistliche daher eine kleine Auszeit – und verbrachte drei Monate bei Freunden in Wien: "Dort habe ich durch dieses freundschaftliche Verhältnis wieder Kraft geschöpft. Ich habe damals meinen festen Entschluss wahr gemacht, ich will Priester bleiben", erzählte er noch vor wenigen Monaten.

"Meinen Zorn bereue ich nicht"

Eine Entscheidung, die letztlich Tausenden Menschen Hilfe zuteilwerden ließ. Der mit vielen Verdienstzeichen Geehrte ging in Folge auch mit der Politik hart ins Gericht und setzte auf aufsehenerregende Aktionen: 1992 fiel er mit einer Zeltstadt am Sportplatz seiner Grazer Pfarre auf, in der rund 100 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien Schutz fanden. Jahre später, exakt 2011, setzte er sich selbst als Bettler in die Herrengasse im Herzen von Graz, um so gegen das geplante Bettelverbot im Zentrum der steirischen Landeshauptstadt zu protestierten.

Pucher galt als streitbar, hatte dabei aber stets die Menschen im Fokus. Nicht zuletzt deshalb setzte er in einer weiteren viel beachteten Aktion 1000 Euro Prämie aus – für denjenigen, der den Beweis für den Bettler-Mercedes bringt. So reagierte der Geistliche auf die politische Debatte zur angeblichen Bettler-Mafia an der Mur, wonach Bettler mit dem Auto eigens nach Graz gekarrt worden sein sollen. Gerüchte wie diese ließen den besonnenen Pfarrer durchaus wütend werden. Doch 2021 urteilte er im Podcast mit der Kleinen Zeitung: "Meinen Zorn bereue ich nicht."

Ein Zorn, der die Politik immer wieder wachgerüttelt hat, wie die wertschätzenden Stellungnahmen zum Ableben von Wolfgang Pucher zeigen. Sämtliche Reaktionen finden Sie hier.