Statt dem Aufnahmetest fürs Medizinstudium ein verpflichtendes, einjähriges Pflegepraktikum im Spital als Bewährungsprobe: Das schlägt Reinhold Kerbl, Primar im Landeskrankenhaus Hochsteiermark in Leoben, vor, wie zuerst die Tageszeitung "Die Presse" und dann der ORF berichteten.

Der Aufnahmetest, der für die rund 12.000 Interessenten jährlich nur 1800 Studienplätze vorsieht, sei der "falsche Weg", ist Kerbl überzeugt. Es gehe darum, die Richtigen für das Medizinstudium zu finden und auch Dinge wie Empathie abzuprüfen, die kämen bei dem jetzigen Test zu kurz. "Jahr für Jahr gehen hoch motivierte junge Menschen nach Hause, weil sie den Test nicht bestanden haben. Es wäre doch viel gescheiter, diese Menschen im Alltag anzuschauen, wie gehen sie an Menschen heran und nicht, wie können sie irgendwelche Formeln und Texte interpretieren", sagte Kerbl im Ö1-Morgenjournal.

Außerdem könne mit dem verpflichtenden Praktikum gegen die Personalnot in der Pflege vorgegangen werden, führt Kerbl aus, der auch Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde ist.

Reinhold Kerbl, Primar im Landeskrankenhaus Hochsteiermark in Leoben
Reinhold Kerbl, Primar im Landeskrankenhaus Hochsteiermark in Leoben © APA/HERBERT NEUBAUER

Ärztekammer: "Angehende Medizinstudenten nicht als Lückenbüßer einsetzen"

Haben die Interessenten fürs Medizinstudium ihr verpflichtendes Praktikum hinter sich, solle zum Beispiel ein Gremium entscheiden, ob sie fürs Studium zugelassen werden. Auch die Option, das Praktikum zu wiederholen, falls die Zulassung nicht klappt, stellt Kerbl in den Raum.

Die Ärztekammer sieht den Vorschlag kritisch. Wiener Kammerpräsident Johannes Steinhart: "Man kann angehende Medizinstudenten nicht einfach als Lückenbüßer im System einsetzen, nur weil man eine verfehlte Pflegepolitik gehabt hat, die ganze Zeit. Pflege ist ein hoch qualifizierter Beruf. Man kann nicht einfach unqualifizierte AHS-Abgänger in diesen Beruf – unter Anführungszeichen – hineinjagen." Dennoch: Einfache Pflegetätigkeiten und im Laufe der Zeit anspruchsvollere Aufgaben könne sich Kerbl in dem Praktikum vorstellen. Die Ärztekammer wolle den Vorschlag immerhin diskutieren, so Steinhart.

Positiv auf den Vorschlag reagiert indes die steirische Landesrätin Juliane Bogner-Strauß: "Ich halte die Überlegungen für fundiert und begrüßenswert. Auch hinsichtlich des Aufnahmetests bei Medizinstudenten muss angesichts eines allseits spürbaren Mangels an versorgungswirksamen Ärztinnen und Ärzten diskutiert werden. Man muss der Realität ins Auge sehen und für die nächsten Jahre die richtigen Weichen stellen. Auch die damit verknüpfte Praxis ist als erster Erfahrungsort von Pflege und Medizin wichtig."