Die Deckenlichter sind gedimmt, die Öfen dröhnen nicht mehr und eine Mitarbeiterin trägt Ware mit einem Einkaufskorb zu den Regalen, statt mit dem üblichen großen Rollwagen. An der Kasse hört man ein schwaches Piepsen, die ansonsten so gewohnte Musik aus den Lautsprechern ist nicht mehr zu hören. Man muss schon ein paar mal blinzeln, wenn man den Billa in der Theodor-Körner-Straße in Graz zwischen 14 Uhr und 15 Uhr betritt. Denn während dieser Zeit gilt für den Supermarkt ganz im Sinne der Inklusion täglich die „Stille Stunde“. 60 Minuten Einkaufen ohne die übliche Reizüberflutung.

Die Grundidee liegt in der Erleichterung täglicher Aufgaben für Menschen mit Beeinträchtigungen durch bewusste Reizreduktion, zum Beispiel für Menschen im Autismusspektrum. Ihnen kann es schwerfallen, Alltagsaufgaben zu bewältigen, da Reize ihrer Umwelt und Kontakt mit anderen Menschen zu Überforderungen führen können.

Die Öfen sind für 60 Minuten außer Betrieb. | Die Öfen sind für 60 Minuten außer Betrieb.
Die Öfen sind für 60 Minuten außer Betrieb.
| Die Öfen sind für 60 Minuten außer Betrieb. © KLZ / Marie-Theres Jud

Die „Stille Stunde“ ist für alle da

„Es kommen aber nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen, sondern auch gerne älteres Publikum“, so die Betriebsmanagerin Gerta Maier, „Sie sagen ‚Ich kann hier in Ruhe einkaufen, es ist angenehm, es ist ruhig‘, also ganz ohne Stress für den Kunden.“ Auch für Menschen mit Sozialer Phobie erleichtert die Aktion den Einkauf. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Filiale sprechen leiser, interagieren mit der Kundschaft nur, wenn sie direkt angesprochen werden und verhalten sich auch untereinander ruhiger.

In Kooperation mit dem Libelle-Autismuszentrum Graz, das sich ebenfalls in der Theodor-Körner-Straße befindet, wurde das Personal der Billa-Filiale eingeschult. „Als die Vertreterin von der Libelle da gewesen ist, haben wir uns in der Runde zusammengesetzt und überlegt, wie wir mit den Menschen in dieser Stunde umgehen können“, so die Marktmanagerin Sandra Auer-Moser zur eintägigen Schulung. „Das laute Miteinander, manchmal das Schreien, machen wir unter uns im Geschäft nicht mehr.“

Auch wenn es zuerst ungewohnt war, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen die „Stille Stunde“ nicht mehr missen. Es sei sehr angenehm, man gehe nicht nur mit der Kundschaft, sondern auch mit sich selbst ruhiger um, es sei viel entspannter, sagt uns Waltraud Trifter, sie sitzt an der Kassa. „Von mir aus kann das Ganze auch zwei Stunden dauern“, lacht sie.

Die Deckenleuchte werden für die „Stille Stunde“ gedimmt. | Die Deckenleuchte werden für die „Stille Stunde“ gedimmt.
Die Deckenleuchte werden für die „Stille Stunde“ gedimmt.
| Die Deckenleuchte werden für die „Stille Stunde“ gedimmt. © KLZ / Marie-Theres Jud

Noch nicht genügend nach außen kommuniziert

Schade sei nur, dass die Aktion noch nicht flächendeckend nach außen durchgedrungen ist. Viele würden noch nicht davon wissen, so Maier. Das bestätigt auch ein Rundgang im Markt. Eine Kundin erzählt, dass sie gerade zum ersten Mal in der Filiale einkaufen würde, die Uhrzeit sei ein Zufall gewesen, dass es etwas anders ist, sei ihr nicht aufgefallen. Eine andere Frau hat das Schild zufällig am Eingang gesehen und sei neugierig geworden. Laut Maier sei es momentan nicht geplant, die „Stille Stunde“ in weiteren steirischen Filialen zu integrieren. Sie vermutet aber, dass sich das ändern könnte, wenn mehr Leute davon wissen würden. Denn bei den Menschen, die die „Stille Stunde“ nutzen, komme die Aktion sehr gut an.

So sieht es während der „Stillen Stunde“ aus

In Wien finden sich auch einige Billa-Standorte, die die Aktion eingeführt haben. In der Goldeggasse im 4. Wiener Gemeindebezirk arbeitet man eng mit Social Enterprise Specialisterne zusammen. Ein Unternehmen, das sich international für die Inklusion von Menschen im Autismusspektrum einsetzt. Die Expertinnen und Experten bilden in Österreich Betroffene unter anderem zu IT-Spezialistinnen und -Spezialisten aus. Auch in Kärnten gibt es mehrere Filialen, die sich an der „Stillen Stunde“ beteiligen.