Johannes Lamparter hat es in der eigenen Hand. Drei Wettkämpfe bestreiten die nordischen Kombinierer am Wochenende noch in Lahti – und der Titel im Gesamtweltcup ist dem Tiroler kaum noch zu nehmen. 146 Punkte führt Lamparter vor dem Deutschen Julian Schmid, 152 vor Jens Luras Oftebro. Jarl Magnus Riiber, Dominator der vergangenen Saisonen, ist bereits geschlagen, weil 402 Zähler zurück.

Ganz glaubt Lamparter noch nicht daran, dass ihm die Kugel nicht mehr zu nehmen ist. Voreilige Gratulationen – etwa von Oftebro – weist Lamparter zurück. Ganz schnell könne man im Sport "weg vom Fenster sein", sagt der 21-Jährige nach den Bewerben in Oslo. "Wie schnell passt der Anzug nicht, wie schnell reißt der Anzug, wie schnell stürzt man? Ich möchte es nicht hoffen, und das wünscht man keinem, aber man hat gesehen heuer, wie schnell es passieren kann", sagte der Tiroler.

Mit dem Gewinn der Kristallkugel würde Lamparter definitiv in die österreichische Sportgeschichte eingehen. Bei all den nordischen Kombinierern, die bei Großereignissen Medaillen gewonnen haben: Gesamtweltcupsieger gab es bislang erst zwei. Felix Gottwald behielt in der Saison 2000/2001 die Oberhand, Klaus Sulzenbacher setzte sich 1987/1988 und 1989/1990 durch.

Klaus Sulzenbacher im Jahr 2011
Klaus Sulzenbacher im Jahr 2011 © gepa

Als sich Gottwald zuletzt mit der großen Kristallkugel für den besten nordischen Kombinierer der Saison belohnte, waren ÖSV-Cheftrainer Christoph Eugen und Sportdirektor Mario Stecher noch als Athleten dabei. Ob denn damals gefeiert wurde? "Buh, das weiß ich gar nicht mehr so genau", sagt Eugen – und man hört, dass das nicht ganz der Wahrheit entspricht. "Über ungelegte Eier redet man nicht – schon gar nicht, wenn es ums Feiern geht. Aber wir werden uns im Wachs-Truck auf ein Bier treffen und eine erfolgreiche Saison Revue passieren lassen", sagt der Murauer.

"Für die Kugel brauchst du auch Glück"

Mit dem großen Ziel, die große Kugel zu gewinnen, ist Lamparter in die Saison gestartet. "Man muss in beiden Disziplinen vorne dabei sein. Es braucht Laufbestzeiten, aber auch exzellente Sprünge", erklärte er die besondere Herausforderung. "Für die große Kugel brauchst du auch Glück."

Und das hatte der Tiroler – in Form eines Ausfalls des härtesten Konkurrenten. Denn Riiber, der viermal in Folge den Gesamtweltcup für sich entschied, setzte nach den Weltcupbewerben in der Ramsau aus, verpasste die Wettkämpfe im Jänner und Februar und meldete sich erst zur Weltmeisterschaft wieder zurück. Wozu Riiber in der Lage ist, stellte er dann beim Großereignis in Planica unter Beweis: vier Goldmedaillen – auf souveräne Art und Weise. Und auch die beiden Weltcupbewerbe nach der Weltmeisterschaft entschied der Norweger für sich. Lamparter relativiert: "Ich schätze Jarl wieder richtig stark ein. Aber er hat drei, vier Wochen Pause gehabt. Wenn ich die gehabt hätte, hätte ich noch einen Kraftblock eingeschoben, dann wäre ich auch besser auf der Schanze." Und Eugen sieht das ähnlich: "Er war nicht in Form und hat sich auf die WM vorbereitet. Im Jänner hätte er keine Chance gehabt."

Mario Stecher, Felix Gottwald, Christoph Eugen und David Kreiner
Mario Stecher, Felix Gottwald, Christoph Eugen und David Kreiner © GEPA

Kein Glück aber war es, dass Lamparter ausgerechnet in der Zeit, in der Riiber fehlte, in Topform war. Vom zweiten Wettkampf in der Ramsau am 17. Dezember bis zum Auftakt in Oberstdorf am 4. Februar beendete Lamparter neun Wettkämpfe in Folge auf dem ersten oder zweiten Rang. Durchaus beachtlich, denn in die Ramsau reiste der Tiroler ohne Form und ohne Selbstvertrauen. "So habe ich ihn davor noch nie gesehen", sagte Kollege Martin Fritz über Lamparters Situation vor dem Weltcupwochenende in der Steiermark. "Jeder weiß, was Jo draufhat." Entgegen allen Erwartungen fand er auf der kleinen (und ungeliebten) Schanze in der Ramsau die Sprungform – und blühte in der Folge regelrecht auf. "Ich habe nie daran gezweifelt. Es war ja nicht so, dass er ganz schlecht war", sagt Eugen.

Jetzt kann Lamparter in Lahti seine Saison krönen – und Blicke auf die Konkurrenz sind nicht angebracht: "Ich muss nicht hoffen, wer von den anderen patzt. Wenn ich meine Leistung abrufe, dann passt das." Für Eugen wäre es für das ganze Team "ein Supererfolg. Dafür trainiert man, dass einer der Beste ist. Dafür musst du die ganze Saison konstant Leistung zeigen."