Was nur sehr schwer vorstellbar ist: Ein grantiger Andreas Goldberger, ein übergewichtiger Andreas Goldberger und ein Andreas Goldberger, der ausschaut wie ein Fünfzigjähriger: Der legendäre Skispringer, stets gut gelaunt, fit und fettfrei und von der Natur immer noch mit einem lausbubenhaften Gesicht ausgestattet. 50 wird er am Dienstag trotzdem – und klingt im Interview fast "altersweise".

Eine TV-Doku anlässlich Ihres Geburtstages trägt den Untertitel "Ein Lausbub wird 50". Sind Sie wirklich noch ein Lausbub?
ANDREAS GOLDBERGER: Ehrlich gesagt schon, glaube ich. Die Frage ist: Was versteht man unter "Lausbub"? Ich mache gerne Sachen, die man mit fünfzig eigentlich nicht mehr tun sollte. Der Doktor sagt, ich soll mich altersgerecht bewegen – da gehören Dinge, die ich gerne mache, nicht dazu. Und wenn man nicht auf den Doktor hört, ist man schon ein bisschen ein Lausbub, oder? Früher hat man der Mama nicht gefolgt, jetzt der Ehefrau oder dem Doktor.

Fast jeder Mensch, dem gesagt wird, dass Sie demnächst 50 sind, schüttelt ungläubig den Kopf, weil Sie so jugendlich ausschauen. Was ist das Geheimnis?
Geheimnis gibt es da keines. Ich habe Glück gehabt. Im Sport würde man sagen, das ist ein Talent, das einem die Eltern mitgegeben haben. Ich habe das von meiner Mama mitbekommen, die wird achtzig und ist noch relativ fit. Sonst glaube ich, dass viel lachen und eine gesunde Lebenseinstellung etwas bringen. Aber, dass ich fünfzig werde … so recht kann ich das auch nicht glauben. Ich bin ja gerade erst vierzig geworden! Die letzten zehn Jahre, die sind sehr schnell vergangen.

Sie sind Liebling der Nation, weil Sie immer gut drauf und freundlich sind. Ist das "Goldi-Sein" nicht sehr anstrengend?
Nein, nicht wirklich. Wenn man körperlich fit ist, wenn man gesund ist, da hat man einfach Lebensfreude. Sicher gibt es Tage, wo es einen zwickt, man nicht so gut drauf ist. Die habe ich auch, aber das Jammern macht das Leben auch nicht leichter.

Man kann sich nicht vorstellen, dass ein grantiger Andreas Goldberger einem Selfie-Jäger unfreundlich begegnet ...
Ich habe mich als Junger immer wahnsinnig über die Zuschauer gefreut, die zur Schanze gekommen sind und mich unterstützt haben. Man muss sich vorstellen: Die stellen sich sogar im Sauwetter stundenlang hin, nur um für mich die Daumen zu drücken. Da werde ich doch eine Minute Zeit für ein Selfie oder ein Autogramm haben. Geben und Nehmen, das gehört schon zusammen. Ich möchte den Leuten, die immer hinter mir gestanden sind, etwas zurückgeben.

Stichwort zurückgeben: Welche Pokale würden Sie gegen Olympiagold tauschen?
Ich habe drei Weltcup-Gesamtkugeln. Eine ist bei mir daheim, zwei andere stehen irgendwo herum. Also eine würde ich sofort tauschen. Ein Olympiasieg war immer ein Kindheitstraum. Ich hab’ wenigstens das Glück, oder das Privileg, gehabt, dass ich zwei Bronzemedaillen von Olympia daheim habe.

Damals hat man Sie auf "Bronzeberger" umgetauft. Tut das heute noch weh?
Nein, weh täte ich nicht sagen. Man wird ja älter, es dreht sich im Leben nicht alles nur um den Sport. Im Endeffekt muss man froh sein, überhaupt eine Medaille gewonnen zu haben. Wie viele Sportlerinnen und Sportler trainieren lange, um überhaupt einmal zu Olympischen Spielen zu kommen? Allein das ist schon eine große Leistung. Die sind nur alle vier Jahre. Es gibt nur wenige, die auch eine Medaille gewinnen. Und ich bin einer davon. Natürlich wäre mir eine goldene lieber gewesen, aber ich bin so auch zufrieden. Lieber eine Bronzemedaille als gar keine Medaille.

Ihr Kokain-Skandal gehört, inklusiver runder Tisch im TV, zur österreichischen Zeitgeschichte. Welchen Platz nimmt die Lebenskrise in ihrer persönlichen Geschichte ein?
Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte das nicht gemacht und es wäre anders gelaufen. Ich habe einen Riesenfehler gemacht, Gott sei Dank ist es relativ gut ausgegangen. Es gehört dazu, damit muss ich leben. Im Endeffekt habe ich aus dieser Situation sportlich zwar einen großen Rückschlag erlitten, aber menschlich und für das Leben danach brutal viel gelernt. Ich habe wirklich gelernt, wer meine Freunde sind, ich habe Menschenkenntnis gelernt. Ich habe auch gemerkt: 'Hoppala, ein Fehltritt kann dir das ganze Leben ruinieren.' Wenn ich noch 30 Wettkämpfe mehr gewonnen hätte, hätte ich wahrscheinlich nicht so viel gelernt wie aus dieser Niederlage. Also menschlich war es extrem lehrreich – aber erspart hätte ich es mir trotzdem gerne.

Wie ist es zu erklären, dass man Ihnen so schnell verzieh? Anderen bleibt ein Skandal lebenslang, bei Ihnen wurde alles eher als "Jugendsünde" abgetan.
Ich habe klipp und klar von Haus aus und gleich gesagt: Ja, da habe ich einen Fehler gemacht. Man könnte natürlich alles leugnen und abstreiten, aber ich wollte das einfach nicht. Man darf Fehler machen, man muss nur aus den Fehlern lernen. Das wissen die Menschen zu schätzen. Wenn man einmal etwas falsch macht, dann muss man dazu stehen, auch wirklich selbst die Konsequenzen tragen und diese nicht auf einen anderen schieben und sich drücken. Ehrlichkeit wird über kurz oder lang immer Sieger bleiben.

Was würde der 50-jährige Andreas Goldberger dem 17-jährigen "Goldi" raten?
Pass’ auf bei gewissen Sachen (lacht). Er würde sagen: Höre auf deine Trainer, auf die alten, erfahrenen Leute – Eltern, Oma, Opa. Weil die das alles selbst einmal erlebt haben und es mit dir nur gut meinen. Aber als Junger glaubst du das halt nicht, du möchtest unbedingt selbst deine Erfahrungen machen. Im Nachhinein frage ich mich: Warum habe ich denen nicht geglaubt? Die haben ja eh recht gehabt. Das Wissen von heute mit dem Körper von damals – ich wäre unschlagbar.

Wie wird der "Lausbub" Goldberger seinen Fünfziger feiern?
Weiß ich noch gar nicht. Ich hoffe, ich bin schon vom Weltcup aus Finnland zurück. Eine Feier mit der Familie gibt es Anfang Dezember, zum Achtziger der Mama. Selbst habe ich keine Feier geplant, aber da ist so ein Bauchgefühl ... Ich habe sehr viele Freunde, die haben mich zuletzt immer gefragt, ob ich am 29. eh daheim bin ...