Mit dem Auftaktspringen in Oberstdorf ist die erste Tournee-Hürde genommen. Wie lautet Ihr Fazit?
JOHANN PICHLER: Ich war nicht Vorort. Aufgrund der Corona-Krise bereisen wir die Tournee-Orte nicht, denn jeder zusätzliche Mensch im Stadion birgt ein weiteres Risiko. Aus sportlicher Sicht war der Auftritt der Österreicher nicht so schlecht. Und ich bin froh, dass sich das Problem mit den Polen gelöst hat. Die Tests zeigen nicht immer das an, was stimmt. Es war gut, dass die Polen mitspringen durften – alles andere käme ja einem Berufsverbot gleich.

Von den 760 in Oberstdorf durchgeführten Tests fielen zuerst vier positiv aus, doch stellten sich diese später alle als falsch heraus. Wirft das nicht ein schiefes Licht auf das Vorgehen?
PICHLER: Dieses schiefe Licht besteht ja schon lange. Wir wissen, dass jeder dritte Schnelltest falsch ist. Ich bin zwar kein Mediziner, doch hängt meines Wissens viel davon ab, wie der Test abgenommen wird. Uns ist auf alle Fälle bewusst, dass bei Testungen immer ein gewisses Restrisiko bleibt.

Johann Pichler ist Präsident der Vierschanzentournee und des SC Bischofshofen

Serientestungen, wie es sie bei den Polen gab, sind im Hygienekonzept nicht vorgesehen. Besteht nun die Gefahr, das andere Nationen bei einem positiven Test ebenfalls den „polnischen Weg“ gehen?
PICHLER: Grundsätzlich ist es so, dass die Auflagen nicht vom Veranstalter kommen. Die Entscheidungen liegen bei der FIS. Da hat – wie im Fall der Polen – der Klub Oberstdorf gar kein Mitspracherecht. Und wenn das Gesundheitsamt jemanden sperrt, dann ist das so. Dass die Polen trotzdem starten durften, bringt natürlich ein kleines Restrisiko mit sich. Und es stellt sich die Frage, warum die schon starten dürfen und andere vielleicht nicht. Aber in Covid-Zeiten ist nichts mehr normal.

Die Tournee findet ohne Zuschauer statt, die Erfüllung aller Corona-Maßnahmen bringt zusätzliche Kosten mit sich. Ist bereits absehbar, wie hoch die Verluste der 69. Tournee-Auflage sein werden?
PICHLER: Das kann ich Ihnen nicht beantworten, da die meisten Verträge bei den nationalen Skiverbänden, also ÖSV und DSV, liegen und ich zum Beispiel nicht weiß, wie hoch die Einnahmen bei den TV-Rechten sind. Als Präsident des Skiclubs Bischofshofen kann ich Ihnen aber sagen, dass es uns schon schlimm trifft. Wobei ich noch nicht weiß, wie viel wir aus dem Unterstützungstopf des Bundes erhalten werden.

Ist man gegen den Ausfall der Zuschauer versichert?
PICHLER: Es gibt Pauschalversicherungen, aber keine für so einen Fall. Wer rechnet schon mit einer Pandemie?

Könnte die Tournee eine zweite Pandemie überleben?
PICHLER: Wenn die Sponsoren wegbrechen, wird es schnell finster. Wir in Bischofshofen budgetieren mit 1,3 bis 1,4 Millionen Euro – und dabei sind alle nur ehrenamtlich im Einsatz. Und wenn sich ein Mitarbeiter während der Tournee infiziert, droht ihm im schlimmsten Fall sogar die Kündigung vonseiten seines Arbeitgebers. Zudem verschlingen die Auflagen viel Geld. Daher werden wir den geplanten Kontinentalcup in Bischofshofen diese Saison wohl streichen müssen. Denn die zu erfüllenden Auflagen sind da dieselben – und das ist nicht leistbar.

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Apropos Finanzen – für heuer war eigentlich eine Preisgeld-Erhöhung angedacht.
PICHLER: In Absprache mit den Athleten, Verbänden und Vereinen haben wir dieses Vorhaben auf die nächstjährige Tournee, wenn wir das 70-Jahr-Jubiläum feiern, verschoben. Wenn wir es uns dann leisten können, wird es zu einer einschneidenden Erhöhung kommen.

Hat man bei all den Problemen, die sich durch die Durchführung der Tournee auftürmen, auch mit dem Gedanken gespielt, die Veranstaltung heuer abzusagen?
PICHLER: Die Tournee ist noch nie ausgefallen – und das wird hoffentlich so bleiben. Der Gesetzgeber hat die Durchführung ermöglicht und in Zeiten des Lockdowns Sondergenehmigungen für das Reisen und die Unterkünfte erlassen. Auch, weil solche Events im Interesse des Staates stattfinden. Wir machen alles Menschenmögliche, um die Veranstaltung gut über die Bühne zu bekommen, doch stoßen wir an unsere Grenzen. Dauerzustand darf das keiner werden.