Sie hatten zuletzt drei Wochen mit einem hartnäckigen Virus zu kämpfen. Haben Sie sich davon mittlerweile wieder ganz erholt?
GREGOR SCHLIERENZAUER: Es wird langsam aber sicher wieder. Ich habe in dieser Zeit auch einen Corona-Test machen lassen, der war aber negativ. Es war eine komische Zeit: Zum Couchliegen ging es mir zu gut, zum Trainieren fühlte ich mich zu schwach.

Covid-19 hat die Welt weiter fest im Griff. Welche Gedanken macht sich ein Gregor Schlierenzauer über die Situation?
SCHLIERENZAUER: Ich bin kein Virologe, aber es scheint alles noch sehr unerforscht. Österreich hat aber auf alle Fälle sehr gut reagiert und wir befinden uns, glaube ich, auf einem guten Weg. Ich bin glücklich, dass wir bis jetzt nur einen Streifschuss abbekommen haben. Die Herausforderung für die Regierung ist enorm, aber sie haben es bis jetzt gut gemeistert.

Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns verbracht?
SCHLIERENZAUER: Ich habe die Wohnung auf Vordermann gebracht, ausgemistet, umgebaut, trainiert und bin spazieren gegangen. Das war ja Gott sei Dank erlaubt. Es war auf alle Fälle eine herausfordernde Zeit, man kennt so etwas ja nicht, ist es nicht gewohnt. Aber wir sind alle im selben Boot gesessen. Wir Skispringer hatten noch Glück, weil unsere Saison ja bereits quasi vorbei war. Zwar ist die Skiflug-WM ins Wasser gefallen, aber das ist angesichts dessen, was auf der Welt passiert ist, definitiv verkraftbar.

Am 21. August geht es mit dem Sommer-Grand-Prix in Wisla los. Sind auch Sie startklar?
SCHLIERENZAUER: Im technischen Bereich gibt es immer etwas zu tun, beim Material braucht es noch ein paar Abstimmungen. Derzeit tüftle ich vor allem noch an der Bindung.

Apropos Bindung – in der Vorsaison gab es viele Knieverletzungen aufgrund des aggressiv eingestellten Materials.
SCHLIERENZAUER: Die FIS hat erkannt, dass es in die falsche Richtung geht und daher neue Regeln aufgestellt. Diese betreffen die Wadenkeile und die Schuhe, wo durch Änderungen nun alles ein wenig entschärft wird.

Mit Andreas Widhölzl haben Sie einen neuen Cheftrainer.
SCHLIERENZAUER: Es ist interessant, weil er mein erster Trainer ist, mit dem ich noch während seiner aktiven Zeit gemeinsam gesprungen bin. Ich habe bei ihm ein sehr gutes Gefühl – er hängt sich voll rein und verfolgt auch eine Idee.

Sie sind jetzt 30 Jahre alt. Blicken Sie gerne auf Ihre Vergangenheit zurück oder schauen Sie nur nach vorne?
SCHLIERENZAUER: Als Sportler solltest du nie zu viel zurückschauen, weil dann hast du bereits verloren. Man muss sich weiterentwickeln und im Jetzt leben. Natürlich bin ich sehr dankbar für alles, was ich erreicht habe, aber ich kann mir heute davon nichts mehr kaufen.

Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen, Sie sollten endlich Ihre Karriere beenden?
SCHLIERENZAUER: Ich springe nur für mich selbst. Mit meinem Namen ist man eben das Siegen gewöhnt gewesen. Aber Skispringen ist nun einmal eine sehr komplexe Sportart und es gibt nicht viele Athleten, die über einen langen Zeitraum stets zu den Besten gezählt haben. Mein Ziel ist es, wieder ganz nach oben zu kommen. Und auf diesem Weg muss man eben ab und zu ausblenden, was die anderen sagen.

Apropos Ziele – es steht eine ereignisreiche Saison bevor. Was haben Sie sich vorgenommen?
SCHLIERENZAUER: Es gibt heuer eine Skiflug-WM, die Vierschanzentournee und die Nordische WM in Oberstdorf, aber mein Ziel ist nicht auf ein bestimmtes Highlight ausgelegt. Wie gesagt, ich will wieder nach oben. Wenn mir das bei einem der erwähnten Höhepunkte gelingt, wäre das natürlich umso besser.

Eine WM ohne Zuschauer?

Könnten Sie sich vorstellen, dass die WM ohne Zuschauer über die Bühne geht?
SCHLIERENZAUER: Es ist noch zu früh, darüber nachzudenken. Beim Sommer-Grand-Prix in Polen wird es Zuschauer geben. Aber prinzipiell ist Sport natürlich immer mit Emotion verbunden. Und mit Fans liegt mehr Spannung in der Luft. Die größte Herausforderung wird im organisatorischen Bereich liegen. Von Innsbruck mit dem Auto zum Weltcup nach Engelberg zu fahren, ist machbar. Doch wie sieht es mit den japanischen Athleten oder den Weltcups in Japan aus?

Fotografie ist Ihre zweite große Liebe. Haben Sie in der Zwischenzeit noch etwas anderes für sich entdeckt?
SCHLIERENZAUER: Ja, ich starte im September an der Wifi eine Immobilien-Ausbildung. Architektur und Design haben mich schon immer interessiert, in diesem Fall wären es eben die Endversionen. Die Ausbildung dauert drei Jahre, aber ich habe keinen Zeitdruck. Es ist auf alle Fälle ein Zweig, der mich erfüllen könnte.

Das klingt ein wenig so, als würden Sie bereits Ihr Karriereende planen.
SCHLIERENZAUER: Ewig werde ich wohl nicht mehr springen. Obwohl, wer weiß: Simon Ammann hat schon 2010 gesagt, dass er aufhört und ist heute noch immer dabei.

Sollten Sie ins Immobiliengeschäft einsteigen, würden Sie dann dem Skispringen für immer den Rücken kehren?
SCHLIERENZAUER: Nein. Ich bin Sportfanatiker und Perfektionist und möchte meine Erfahrungen irgendwann weitergeben. Allerdings eher in einer Berater-Rolle und nicht als Trainer. Aber direkt nach dem Karriereende werde ich erst einmal etwas Abstand vom Skispringen nehmen.