Als Marco Odermatt im Ziel von Lake Louise abschwang, ballte er die Faust. Er hatte wohl selbst gewusst, was ihm da für ein Lauf ausgekommen war. Um mehr als 1,3 Sekunden distanzierte er die ersten fünf der Startliste, die schon im Ziel waren. Die Freude währte nur kurz. Denn Odermatt hatte sich gerade erst den Rennanzug über die Schultern gezogen, als sein Landsmann Mauro Caviezel nach dem Steilhang ins „Gun Barrel“ stach. Jener Caviezel, der vor fast zwei Jahren in der Vorbereitung auf die Ski-WM in Cortina d’Ampezzo bei einem Trainingssturz in Garmisch ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte, von dem er sich lange nicht erholte.

Sehstörungen zwangen den 34-Jährigen dazu, die letzte Saison ganz auszulassen, am Samstag gab er in Lake Louise sein Comeback im Weltcup. Und am Sonntag verschnitt es ihm eben im „Gun Barrel“ den Ski, nach einem Überschlag rutschte er – offensichtlich ohne Bewusstsein – mit dem Gesicht nach unten über die Eispiste. Im Ziel konnte Odermatt, einer der besten Freunde von Mauro Caviezels Bruder Gino, nicht hinsehen – man befürchtete das Schlimmste. Minutenlang bangten alle, dann sah man, dass Caviezel stand, ansprechbar wird, aus Sicherheitsgründen dann aber doch mit dem Helikopter abtransportiert wurde.

All diese Zeit musste Olympiasieger Matthias Mayer im Starthaus warten, zur Untätigkeit gezwungen. Vielleicht war es dieses Warten, das die Siegchancen nahm – letztlich durfte sich der Kärntner aber zumindest vor Teamkollege Vincent Kriechmayr über den ersten Podestplatz der Saison freuen, er wurde Dritter, auch noch 0,78 Sekunden hinter Odermatt, der nur einmal in Gefahr schien – als Aleksander Aamodt Kilde kam, letztlich aber 0,37 Sekunden verlor.

Odermatt feierte seinen 13. Sieg im Weltcup, den zweiten in diesem Jahr. Und damit nicht genug: Es war der dritte Podestplatz im dritten Rennen, der insgesamt 32. bei 101 Weltcupstarts. Beeindruckend, wie der 25-Jährige schon in den ersten Saisonrennen die Weichen auf Wiederholung seines Sieges im Gesamtweltcup stellt.

Matthias Mayer fuhr auf das Stockerl
Matthias Mayer fuhr auf das Stockerl © GEPA pictures

Mayer: "Marco muss einen Traumlauf erwischt haben"

Der Konkurrenz bleibt einstweilen nur die Gratulation. „Marco muss wirklich einen Traumlauf erwischt haben“, meinte Mayer, der aber „auch ein paar lässige Passagen drin hatte. Aber die Verhältnisse waren nicht einfach.“ Grundsätzlich zeigte sich, dass die Österreicher wohl die größten Gegner des Duos Odermatt/Kilde sind. „Und“, sagte Mayer, „ich hoffe, dass wir schon in Beaver Creek zeigen können, dass die beiden da vorne nicht unschlagbar sind.“ Daniel Hemetsberger, am Vortag Zweiter in der Abfahrt, fuhr mit der Nummer 48 noch auf Rang sieben.