Wie geht’s Ihrer Schulter?
Manuel Feller: Warum der Schulter?

Ist sie nicht blau geklopft von all den Gratulanten und jenen, die es immer schon gewusst haben?
Wie es die Zeit will, ist das Ganze mehr über die sozialen Medien passiert. Außer meine Familie habe ich so gut wie keine Leute getroffen. Aber das Echo war überwältigend und hat mich riesig gefreut.

Nach dem buchstäblich märchenhaften Wochenende in Flachau waren Sie gleich am Montag fischen. Wie darf man sich das vorstellen? Feller, Angel, Radio und eine Dose Bier?
Ein Bier war schon dabei. Ich baue mein Zelt auf, werfe die Angel aus, hocke ein paar Stunden da, schaue auf den See hinaus, genieße die Stille und hoffe, dass etwas beißt. Wenn ich müde bin, lege ich mich mit meinem Schlafsack auf die Liege und schlafe. Und wenn einer beißt, stehe ich auf – sonst erst in der Früh.

Und es haben gleich zwei Prachtexemplare gebissen?
Stimmt.

Wenn Sie so in die Dunkel der Nacht blicken, worum kreisen Ihre Gedanken?
In erster Linie hoffe ich, dass ich einen Fisch fange. Deshalb bin ich ja da. Ans Skifahren denke ich am wenigsten, vielmehr versuche ich, vom ganzen Trubel wegzukommen und mehr oder weniger einen Reset zu machen. Schließlich geht’s im nächsten Rennen wieder bei null los.

Das nächste Rennen ist am Dienstag der legendäre Nachtslalom in Schladming. Inwieweit hat Ihr Premierenerfolg die Erwartungshaltung verändert?
Ich weiß, dass ich ganz vorne mitfahren kann, aber man hat in Adelboden oder im zweiten Flachau-Rennen gesehen, wie schnell ein Fehler passiert ist. Von dem her braucht man sich nicht zu erwarten, dass ich in Schladming gleich wieder aufs Podium plattle. Natürlich ist es mein Ziel, aber das gilt auch für 20 andere.

Inwieweit ist Skisport Kopfsache?
Alles ist Kopfsache. Es hat schon so viele Trainingsweltmeister gegeben. Ich bin einer, der im Training eher auf der langsameren Seite ist, aber dann, wenn es um die Wurst geht, zulegen kann. Das ist eine Gabe, die man nur schwer erlernen kann und, glaube, eine meiner größten Stärken.

Warum ich frage: Die Saison startete mit drei Nullnummern im RTL. Und dann erleben Sie in Alta Badia mit Platz zwei den emotionalsten Karrieremoment.
Das Spiel vom Vorjahr ist ja zuvor weitergegangen. Ich habe Nachrichten bekommen, dass ich besser Maurer werden soll. Was ich aufführe, sei zum Weinen, bla, bla, bla. Ich habe aber gewusst, dass ich eigentlich in Form bin. Und wenn es dann so aufgeht und du es den Kritikern zeigen kannst, ist das schon etwas ganz Besonderes. Mein größter Erfolg war, als ich im Herbst endlich wieder schmerzfrei Ski fahren konnte. Ab da ist es bergauf gegangen, es hat wieder Spaß gemacht.

Spaß, den Sie im vergangenen Winter zwischenzeitlich verloren hatten. Nach Ihrem Blitzcomeback nach dem Bandscheibenvorfall wurden Sie Zielscheibe von harscher Kritik, oder?
Das Frustrierende war, dass ich körperlich einfach nicht in der Lage war, vorn mitzumischen. Dennoch habe ich weitergemacht, habe gekämpft, alles versucht, alles gegeben. Aber vielen war das nicht gut genug. Ich habe Woche für Woche Steine auf den Schädel gekriegt. Irgendwann hat’s mir gereicht, ich habe zurückgeschossen.

Einer, der Ihre Technik kritisierte, war Christian Mayer, siebenfacher Weltcupsieger. Haben Sie nach dem Sieg von ihm gehört?
Ich hatte ihn auch zuvor noch nie gesehen oder gehört. Schwierig zu beurteilen, was in ihm vorgeht. Ich denke, ich konnte die passende Antwort jetzt auf der Piste geben.

Auch ein gewisser Marcel Hirscher war nach Ihrem Premierentriumph in Flachau in vielerlei Hinsicht angetan, oder?
Er hat sich auch bei mir mit einer Sprachnachricht gemeldet. Das hat mich natürlich riesig gefreut. Bei den Podiumsplätzen hat er sich nicht gerührt. Wenn er sich dann beim ersten Sieg meldet, weißt du, dass er es definitiv ernst meint. Von dem her ist es eine große Ehre und freut mich riesig, wenn er eine Gaudi vor dem Fernseher hat.

Hirscher musste in seiner Karriere nie ein längeres Tief durchtauchen. Just er warnte aber immer vor der Moralkeule „Heute hero, morgen zero“. Ein Spruch, der Ihnen nahegeht?
Das trifft generell auf den Spitzensport zu. Es gibt ganz wenige Größen, die nicht einmal unten waren. Es gibt reihenweise Legenden, die tiefe Täler durchtauchen mussten. Nehmen wir Hermann Maier mit seinem Unfall. Oder aktuell: Henrik (Kristoffersen, Anm.), der auch seine Probleme hat, dabei meinten alle, er dominiert nach Marcels Abgang. Oder Carlo Janka, der umjubelte „Iceman“, der alles gewann, dann aufgrund gesundheitlicher Schwierigkeiten aber nicht mehr so performen konnte. Das verdeutlicht, dass der Grat ein sehr schmaler ist. Umso beeindruckender ist es, wenn man den Weg zurück schafft.

Ihr Trainer Marko Pfeifer, eine der wichtigsten Bezugspersonen, sprach von einer Läuterung – auch durch die Rolle als Familienvater. Wie reflektieren Sie sich selbst?
Anfangs war es eine komplett neue Situation, du hast plötzlich eine Riesenverantwortung, bist megastolz. Auf der anderen Seite hatte ich körperliche Probleme, sportlich hat’s nicht richtig gepasst, in gewisser Hinsicht war ich überfordert. Inzwischen hat sich alles eingespielt. Lio hat mich Ruhe gelehrt, Gelassenheit. Wenn du auf sein Schreien gereizt reagierst, wird er noch mehr schreien. Also gilt es, Geborgenheit auszustrahlen. Das hat fast schon was Meditatives.

Letzte Frage: Sie haben Ihren Freunden versprochen, im Falle Ihres ersten Weltcupsieges zehn Flugtickets für einen Trip nach Bangkok zu spendieren. Sind die zehn Plätze schon vergeben?
Ich werde das Geld für die zehn Tickets in einen Topf hauen – und schauen, wer dann dabei ist. Aber das hat noch sechs Jahre Zeit, bis zum Vierziger.