Es war keine Überraschung, dass es passiert ist. Man musste damit rechnen, dass Aksel Lund Svindal bald den Schlussstrich zieht. „Ich fühle, dass das Ende naht“, hatte er erst in Wengen in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ erklärt. Der große Kämpfer gibt den Kampf auf, die eigene Gesundheit ist dem 36-Jährigen letztlich doch wichtiger, die Schmerzen im lädierten Knie waren einfach zu groß. „Ich wusste schon im Frühjahr, dass dieses Jahr ein besonderes werden würde, nicht so wie die davor. Ich wusste, dass ich mitunter ein paar Rennen werde auslassen müssen. Aber Bormio und Kitzbühel auslassen zu müssen, das war hart. Vor allem die Entscheidung zu treffen, nicht mitzufahren, die tut weh. Und es ist nicht einfach, irgendwann sollte man dann einmal eine Entscheidung treffen“, sagte er am Sonntag im Zielraum.

Fast so weh wie das Knie, das den Sturz von 2016 eben hier, in Kitzbühel, nie verkraftete. Die Schmerzen und Probleme klangen nie mehr ab, trotz mehrerer Eingriffe. Und laufen, das konnte Svindal mit 36 Jahren ohnehin nicht mehr. Ski fahren, das wollte er aber unbedingt. Bis er diese Woche Gewissheit hatte: „Man möchte am Start stehen, klar. Und wenn es nicht geht … Wenn ich die letzten zehn Prozent nicht mitfahren kann, die eisigen, harten Pisten, dann sollte man es fertig machen.“

Aksel Lund Svindal
Aksel Lund Svindal © APA/HERBERT NEUBAUER

Svindal tat genau das, was das Bauchgefühl ihm sagte: Er verkündete das Ende. Auf einer durchaus würdigen Bühne, stilgerecht im Smoking: Auf der samstäglichen Gala im Kitz Race Club, auf der im Normalfall die Helden, die Sieger der Hahnenkamm-Abfahrt gefeiert werden. „Es war dann schon geplant, dass ich es hier auf der Bühne mache, wenn auch kurzfristig“, erklärte Svindal. Warum hier? „Weil so viele der Leute, die die letzten 15 Jahre so wichtig für mich waren, hier sind. Weil ich ihnen hier danken kann. Und in Norwegen ist der alpine Rennsport zwar auch wichtig und groß, aber hier, das ist die Heimat des alpinen Skisports“, erklärte er. Deshalb verkündete er hier in den späten Abendstunden, dass „die zwei Rennen bei der WM in Åre meine letzten sein werden“. Dort, in Schweden, wird er dann auch mit Familie und Team den Abschied zelebrieren. Die Mitteilung hat er sich für Kitzbühel aufgehoben. 

Denn irgendwie ist das auch sein Schicksalsort. Hier war er das erste Mal in einem Weltcupbewerb auf dem Podest, 2003 wurde er in der berühmten Hahnenkamm-Kombination, die es nicht mehr gibt, Zweiter. Hier feierte er drei großartige Siege, drei Mal im Super-G. Aber hier erlebte er nach dem Sturz in Beaver Creek 2007 auch seine schwärzeste Stunde: In der Abfahrt 2016 stürzte er einen Tag nach dem Sieg im Super-G wie Hannes Reichelt und Georg Streitberger schwer, erlitt einen Kreuzband- und Meniskusriss. Eine Verletzung mit Folgen, denn ganz erholte er sich nie mehr davon.

Es reichte, um weitere große Erfolge in seine Erfolgsliste hinzuzufügen. Zwei Mal war er Gesamtweltcupsieger, acht WM-Medaillen machte er, fünf davon in Gold. Vier Olympia-Medaillen holte er sich, zwei davon in Gold. Und in Pyeongchang wurde er trotz Vorgänger wie Kjetil-Andre Aamodt oder Lasse Kjus zum ersten Norweger, der bei Olympia eine Abfahrt gewann. Deshalb wurde er 2018 auch zu Norwegens Sportler des Jahres gewählt. Damals meinte er noch: „Aber komplett ist die Liste nicht. Kann sie es sein, wenn man in Kitzbühel die Abfahrt nicht gewonnen hat?“ Heuer wollte er es noch einmal versuchen – und kam statt des Sieges zur Erkenntnis, dass es reicht.

Auf Svindal wartet die gemütliche Couch

„Jetzt ist es Zeit, um zu genießen, was ich geleistet habe. Und auch Åre zu genießen und zufrieden zu sein.“ Er sei gespannt, wie es sein wird, die Rennen auf der Couch zu verfolgen. „Aber ich habe gerade mit Benni (Raich, Anm.) gesprochen. Er kann jetzt auch Rennen anschauen und es genießen. Das ist das, was ich möchte.“ Noch fiel ihm das schwer: „Als ich heute zur Strecke kam und den Super-G gesehen habe, da war es schon schwierig. Aber ich bin in der Früh aufgewacht und habe meine Entscheidung nicht bereut. Ich bin, wie soll ich sagen, relaxed.“

Das wird er bei den letzten Rennen nicht mehr sein, die Hochachtung seiner Kollegen ist ihm sicher. „Eine der größten Persönlichkeiten in unserem Sport, er war immer toll, auch zu uns Kollegen“, meinte etwa Vincent Kriechmayr über den sympathischen Norweger und Frauenschwarm. Auch wenn er ergänzte: „Aber wenn ich höre, dass er sich nun Zeit nimmt, um sich ganz auf die WM vorzubereiten, denke ich, dass er da ein schwerer Gegner sein wird.“ So, wie er es 15 Jahre im Weltcup war.