Christian Mitter ist ein Steirer. Wenn er aber von "Wir" und "unserer Kultur" spricht, dann meint er nicht die steirische oder österreichische, dann spricht er von der norwegischen Kultur – der im Sport. Was die besagt: "Es geht ums Gewinnen, nicht wie in Österreich oft ums Verlieren. Und es zählen nur harte Arbeit, hartes Training, damit man am Ende der Bessere ist. Schafft man es nicht, dann war der andere eben besser. Oder er hat härter gearbeitet." Gerade eben, so wie Mitter selbst ist.

Sein Schützling Aksel Lund Svindal streut ihm Blumen: "Er ist schon so lange bei uns, er ist einer von uns. Wir sehen ihn eigentlich gar nicht als Österreicher", sagt er in Gröden und lächelt. Svindal, der auch in Südtirol auf Siegkurs scheint, lobt seinen neuen Chef über die Maßen. "Er ist einfach ein guter Trainer", sagt er und begründet diese Einschätzung sofort – ungefragt: "Er hat ein sehr gutes Auge, ist ein guter Skitrainer. Und zum Zweiten ist er streng. Das braucht es auch", erklärt Svindal, "er bildet sich eine Meinung und hat dann den Mut, sie offen auszusprechen. Egal, ob du die Nummer eins der Welt bist oder die Nummer 100." Genau das sei auch das Geheimnis, sagt Svindal und offenbart den vielleicht größten Mentalitätsunterschied: "Das Wichtigste für uns ist, dass er fair ist. Wir sind ein Team – schwierig wird es, wenn einer Vorteile genießt oder unfair ist.“"

Entscheidungen treffen

Genau das kommt aber nicht vor. Obwohl Mitter mit 35 Jahren gar nicht viel älter ist als sein – derzeit – bestes Pferd im Stall. Er hat sich Respekt verschafft. Mitter nickt, wenn man ihm von Svindals Meinung berichtet. "Es geht darum, eine Linie zu haben, Entscheidungen zu treffen. In meiner Position hast du so zehn 50:50-Entscheidungen zu treffen pro Tag. Da kann auch was danebengehen, klar. Aber diese Sache muss man den Läufern abnehmen, die bauen ja auf den Baum in der Mitte, der solche Dinge für sie übernimmt."

Jeder im Team hat seine Aufgaben. Der Weg nach oben ist ganz anders als der in Österreich ("Meiner Meinung nach ist ja das Kadersystem, wie es bei uns existiert, 2015 nicht mehr haltbar"). Wer gut ist, wird schnell Sieger. Wer siegt, ist schnell im Weltcup, erhält aber trotzdem Zeit für Entwicklung. Den Plan auch. Bestes Beispiel: Nach seiner Zeit bei den norwegischen Damen (Mitter: "Da habe ich viel gelernt. Eben auch, eine Linie zu haben und die durchzuziehen, sonst kostet das viel zu viel Energie") ging er an ein Skigymnasium in Oslo, von dort mit Henrik Kristoffersen oder Aleksander Kilde den Weg bis in den Weltcup. Alles passiert hier im Team. Und Mitter stellt klar: "Wer nichts fürs Team beiträgt, ob Läufer oder Trainer, mit dem fahren wir ganz schnell ab."

Erfolg als Genugtuung

Der Lohn: Erfolg. Und damit Genugtuung, wenn das Match, wie im Moment, Norwegen gegen Marcel Hirscher zu sein scheint. "Dabei denk ich mir im Herbst oft, wenn mir die anderen sagen, was alles falsch war: Wir haben keine Chance. Und doch ist es anders", sagt er und schmunzelt. In die Heimat geht es nur selten, nicht einmal Weihnachten wird es heuer in der Steiermark geben, dafür ist seine Freundin Malin, die ein Kind erwartet, in Gröden und über Weihnachten dabei. Das Team geht vor – und am 25. Dezember wartet die Reise nach Santa Caterina.

MICHAEL SCHUEN, SANTA CRISTINA