Die Saison im alpinen Ski-Weltcup ist zu Ende und für die Stars rund um Marco Odermatt, Conny Hütter und Co geht es pünktlich zum Osterfest nach einem anstrengenden Winter zurück in die Heimat, um mit Freunden und Familie etwas Zeit zu genießen. Für Bosniens Aushängeschild Elvedina Muzaferija steht ebenfalls ein Besuch in Visoko, in der Nähe von Sarajevo, auf dem Programm, der erste seit langer Zeit. Denn während es sich manche Stars der Szene während der Saison mehrmals leisten, nach Hause zu fahren, sah die 24-Jährige ihre bosnische Heimat seit Weihnachten nicht mehr. Im Winter pflegt sie eine Art Nomadenleben. „Ich habe keine wirkliche Basis, da wir von Weltcup-Ort zu Weltcup-Ort reisen. Auch wenn Bosnien nicht so weit weg ist, war ich nur zu Weihnachten ganz kurz dort, da es danach gleich weiterging“, sagt Muzaferija.

Das Speed-Ass ist weit mehr als nur eine Exotin im alpinen Ski-Zirkus, wie sie mit eindrucksvollen Ergebnissen schon unter Beweis gestellt hat. In Crans-Montana gewann Muzaferija in diesem Winter ihr erstes Europacup-Rennen, fuhr an selber Stelle im Weltcup sensationell auf Platz vier. „Mein Ziel waren ein paar Top-30-Platzierungen und das habe ich geschafft. Der Europacup-Sieg hat natürlich viel Selbstbewusstsein gegeben, auch wenn zu Beginn der Saison mein Kopf nicht so mitspielte.“ Denn die Gedanken der Abfahrtsspezialistin kreisen nicht nur um die perfekte Linie auf der Piste, sondern auch um die Finanzierung der sportlichen Karriere. Der Skisport hat in ihrer Heimat keinen allzu großen Stellenwert. „Es ist nicht einfach, alles zu finanzieren. Das meiste kommt von meinen Sponsoren und nicht vom Verband, aber bisher funktioniert es. Ski-Rennen zu fahren ist generell teuer, für uns sogar ein bisschen mehr. Ich will aber gar nicht zu viel daran denken, sondern mich schon jetzt auf den Sommer und die nächste Saison konzentrieren.“

Podium als Ziel

Doch auch wenn die zwei Bretter, die in Österreich seit Jahrzehnten die Welt bedeuten, in Bosnien noch nicht zu den am begehrtesten Sportgeräten gehören, ist Muzaferija immer wieder überrascht, welchen Stellenwert ihre Erfolge haben. „Es ist richtig cool, dass durch mich viele mit dem Sport angefangen haben. Kurz vor der Weihnachtspause hatten wir daheim ein Event mit jungen Talenten und ich war überrascht, wie viele zu mir aufschauen, mich als Vorbild sehen. Das hat mich richtig stolz gemacht.“ Ihr eigener Werdegang begann ebenfalls in einer Skischule, wo die Bosnierin gemeinsam mit ihren Eltern das Skifahren erlernte. „Sie konnten es selbst nicht und haben mich einfach reingesteckt.“ Die richtige Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Nachdem die Konkurrenz im Heimatland zu klein wurde, ging es für zwei Jahre nach Kroatien, ehe Muzaferija 2015 ihr Debüt auf FIS-Ebene gab.

Von da an ging der Weg steilt bergauf, trotz der angesprochenen Herausforderungen. „Mein Team ist sehr klein, deshalb ist mir manchmal ein wenig langweilig im Winter. Aber die meiste Zeit haben wir wirklich viel Spaß.“ Für die nächsten Jahre hat die bosnische Ausnahmeathletin ihr erstes Weltcup-Podium als großes Ziel vor Augen. „Ich bin aber schon jetzt stolz auf mich, da nur meine Familie und ich wissen, wie schwer es war, hierherzukommen. Ich hoffe, dass wir bald mehrere Athletinnen aus Bosnien sehen. Vielleicht kann ich meinen Namen dazu nutzen, um zu zeigen, dass du es schaffen kannst, auch wenn du aus Bosnien kommst.“