Die Auftaktrennen am Gletscher ober Sölden gelten als speziell besonders. Warum das so ist, liegt an verschiedenen Umständen. Ich etwa habe vor dem Riesentorlauf am Rettenbachferner nur selten gut geschlafen. Das Klingeln des Weckers stellte meistens eine Erlösung dar. Wenn du dich dann morgens noch vor 6 Uhr im Hotel zur Auffahrt auf den Berg bereit machst, während draußen die letzten Feierwütigen auf den Straßen mehr oder weniger feuchtfröhlich Richtung Quartier gehen, weißt du was die Stunde geschlagen hat: Es geht wieder los!

Als Athlet versuchst du dir einzureden, dass der Auftakt nur ein Rennen von vielen ist – das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere: Heute wird sich zeigen, wie gut deine Chancen stehen, ob all die Mühen und Qualen der Vorbereitung mit einem erfolgreichen Winter(start) belohnt werden und ob die Entwicklung in die richtige Richtung ging. Ein gutes Rennergebnis zum Auftakt bedeutet für Athleten und ihr Team in erster Linie Bestätigung, in zweiter Ruhe, um ihren Prozess weiterzuverfolgen. Ein schlechtes Resultat birgt Gefahr, Unruhe und Unsicherheiten auszulösen. Für die tägliche, harte Arbeit nach dem Auftakt macht das kaum einen Unterschied. Klar, ein Erfolgserlebnis hilft, aber weder ruhen sich erfolgreiche Athleten darauf aus, noch dürfen weniger erfolgreiche nach dem ersten Rennen alles in Frage stellen oder ihren Plan gar kopflos komplett umschmeißen.

Auch Stresslevel steigt

Und dann ist da vor Sölden die eigene Anspannung und Unsicherheit, schließlich pausierte der persönliche Rennrhythmus ein halbes Jahr lang. Neben dem Leistungsdruck steigt für die Athleten auch der Stresslevel. Vor Ort wurlt es, fast der gesamte Skizirkus ist hier mit von der Partie. Sölden bietet dem Skisport eine breite Bühne, die gerne und vielseitig genutzt wird.

Auch in den Wochen vor dem Weltcupstart gilt es, vermehrt Presse- und Sponsorentermine wahrzunehmen. In Zeiten, in denen der Skisport als plakative Diskussionsplattform für Themen von Teuerung bis zu Umweltschutz und Klimaproblematik herhalten muss, ein noch schwieriger Spagat für alle Athletinnen und Athleten. Sportliche Fragen und Themen stellen aktuell beinahe schon die Ausnahme oder gar eine Erleichterung dar. Sie lassen sich in dieser so aufregenden Phase der Saison und vor dem ersten Wettkampf jedoch ohnehin nur selten sinnvoll beantworten.

Fokus auf das Sportliche

Nichtsdestotrotz gilt es für die Sportler, allerspätestens am Wettkampftag ihre Energie und ihren Fokus voll auf das Sportliche zu richten. “Controling the Controllables (Kontrolliere das, was du kontrollieren kannst)” nennt sich dieser Ansatz. Er ermöglicht es, in Drucksituationen seine Ängste zu minimieren und Vertrauen zu stärken. Und gilt als unerlässlicher Grundsatz für (sportlichen) Erfolg.