Wenn das Gefühl des Zuschauers nicht trügt, sind die Südkoreaner bei dieser Weltmeisterschaft in einer Disziplin nicht zu schlagen. Sie haben garantiert die meisten Laufmeter zurückgelegt. Das mussten sie auch, denn sie rannten schon in der Gruppenphase bis zur letzten Sekunde bis zum Umfallen. Das war auch nötig, denn sonst hätten sie nicht – wie dank des Tors von Hee-Chan Hwang geschehen – das Achtelfinale erreicht.

Die Kicker aus dem Fernen Osten ließen ihrem hemmungslosen Bewegungsdrang auch dort freien Lauf, mussten allerdings zur Kenntnis nehmen, dass sie dort von den Brasilianern mit offenen Armen empfangen wurden und der „Seleção“ ins offene Messer liefen. Diese hatte mit ihrem ersten K.o.-Spiel in Katar ihre helle Freude, konnte nach Lust und Laune agieren und malte Tore auf den Rasen. Besonders der dritte Streich, vollendet von Richarlison, musste sogar den hohen Ansprüchen der brasilianischen Ballkünstler gerecht werden. Es war eine vom Torschützen eingeleitete Kombination aus dem Fußball-Bilderbuch, durchgeführt bei außerordentlich hohem Tempo.

Vielleicht dachten sich die Brasilianer schon, dass dies möglicherweise die letzte Chance sein würde, ihre Verehrer im Publikum auf den Rängen und vor den TV-Bildschirmen mit einem solchen, an den Samba vergangener Zeiten erinnernden Zauberfußball zu beglücken. Denn nun warten die Kroaten, die ganz sicher den Spaß nicht auf jene Art mitmachen wie die Südkoreaner, denen aufgrund ihres trotz aller Rückschläge ungezügelten Temperaments immerhin noch ein Ehrentor gelang.

Tites Mannen sind dem sechsten Titel, der nach 20 Jahren Kunstpause so heiß ersehnten „Hexa“, einen – vorerst noch kleinen – Schritt näher gekommen und haben mit diesem Auftritt den Respekt bei den seit 2006 herrschenden europäischen Widersachern gewiss in die Höhe geschraubt. In puncto Ästhetik wird den Brasilianern bei diesem Turnier wohl keine gröbere Konkurrenz mehr erwachsen. Der Widerstand der Konkurrenz wird sich steigern. In dieser Verfassung haben sich die Südamerikaner aber einen Topstatus erspielt.